"Das Blut gefror mir in den Adern" – Die Entdeckung des Lungenkreislaufs
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Publikation: | 30.3.2012 | ||
Lernstufe: | 3 | ||
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Angestrebte Kenntnisse: |
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Für eine Klasse mit 25 bis 30 Schülern:
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Herkunft: | La main à la pâte, Paris. Diese Unterrichtseinheit ist Teil des thematischen Projektes "Entdeckungen in arabischen Schriften des Mittelalters", das auch als Buch erschienen ist: "Les découvertes en pays d'Islam", herausgegeben von Ahmed Djebbar, Cécile de Hosson und David Jasmin, Verlag Le Pommier, 2009 | ||
Bewertung: |
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Anmerkung zum Titel der Unterrichtseinheit
Im Französischen lautet der erste Teil des Titels: "Mon sang n’a fait qu’un tour", wörtlich übersetzt: "Mein Blut machte nur einen Umlauf", was dem Sinn nach etwa bedeutet: "Mein Herz setzte aus".
Einführung
In der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts beschreibt der Arzt Galenos von Pergamon [1] die Blutbewegung im Herzen. Nach seiner Vorstellung, die bis ins 13. Jahrhundert vorherrschte, gelangt ein Teil des Blutes aus der rechten Herzhälfte in die Lungen, um diese mit Nährstoffen zu versorgen, während der andere Teil des Blutes vom Körper produzierte Stoffe eliminiert. Ein wenig Blut aus der rechten Herzhälfte gelangt durch unsichtbare Poren in der Wand, die beide Herzhälften trennt, in die linke Herzkammer.
Diese Theorie der Blutbewegung wird erst um 1230 durch Ibn al-Nafis, Arzt und Chirurg in Kairo, in Frage gestellt [2]. Er beschreibt zum ersten Mal den so genannten "kleinen Blutkreislauf": Das Blut tritt aus der rechten Herzkammer kommend in die Lungen und fließt zur linken Kammer zurück – ohne die Herzscheidewand zu durchqueren.
Diese kurze historische Schilderung zeigt, dass anatomische Kenntnisse zum Verständnis der Organfunktionen nicht oder kaum ausreichen. Galenos und Ibn al-Nafis sind von gleichen Beobachtungen zu verschiedenen Schlüssen gelangt. In der Unterrichtseinheit "Das Blut gefror mir in den Adern – Die Entdeckung des Lungenkreislaufes" werden die beiden historischen Beschreibungen einander gegenübergestellt. Die Kinder werden entdecken, weshalb die Beschreibung Ibn al-Nafis‘ die galenische verdrängte.
Vorstellungen der Kinder und historische Beschreibungen
Die Kinder haben ihre eigenen Auffassungen vom Weg des Blutes im Körper. Die reichen von "Bewässerung", so wie Wasser sich in den Kanälen eines Feldes verteilt, bis zur Blutverteilung durch ein Zentralorgan (meistens das Herz) oder zum Kreislauf innerhalb einer geschlossenen Schleife. Zeichnungen der Kinder zeigen in einigen Fällen, wie das Blut in einem "Röhrensystem" kanalisiert wird – es muss aber nicht notwendigerweise auch fließen. In anderen Fällen zeichnen sie "Röhren", die mit dem Herzen, und manchmal auch mit den Lungen verbunden sind.
Abb. 1: Darstellungen des Blutweges im Körper – Zeichnungen von Lice (links) und Aurore (rechts) [3]
Wenn man diesen "spontanen" Vorstellungen die historischen Beschreibungen von Galenos und Ibn al-Nafis gegenüberstellt, lassen sich in der Klasse Fragen erörtern wie: "Was sagt Galenos? Was sagt Ibn al-Nafis? Bewegt sich das Blut? Fließt es in allen Richtungen oder nur in einer? Welchen Weg nimmt das Blut im Herzen und im Körper?"
Galenos' Beschreibung
Nach Galenos nimmt ein Teil des Blutes in der rechten Kammer des Herzens seinen Weg durch kleine Poren (mit bloßem Auge nicht zu erkennen) zur linken Seite. Die eingeatmete Luft aus den Lungen geht unmittelbar ins linke Herz.
Abb. 2: Galenos' Beschreibung vom Blutweg im Körper – mach einer Zeichnung von Sarah [3]
Ibn al-Nafis' Beschreibung
Anders als Galenos nimmt Ibn al-Nafis an, dass die Lungen Blut enthalten, das vom Herzen kommt und auf einem anderen Weg dahin zurückkehrt (Auszug aus "Ibn an-Nafis und seine Theorie des Lungenkreislaufs" von Max Meyerhof, in "Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin", Band 4, 1935, S. 37-88, S. 75):
"Wenn das Blut in dieser [rechten] Kammer verfeinert worden ist, so muss es in die linke Kammer hinübergelangen, wo der (Lebens-) Geist entsteht. Nun gibt es aber zwischen ihnen beiden keine Durchtrittsstelle; denn die Substanz des Herzens ist dort [in der Herzscheidewand] kompakt und hat weder eine sichtbare Durchtrittsstelle, wie es einige gemeint haben, noch eine unsichtbare, welche dem Durchtritt dieses Blutes dienen könnte, wie es Galenos geglaubt hatte. Denn die Poren des Herzens sind dort solide (undurchlässig), und seine Substanz ist dick. Daher muss dieses Blut, wenn es verdünnt ist, in der Vena arteriosa [Lungenarterie] zur Lunge gelangen, damit es sich in ihrer Substanz ausbreite und mit der Luft mische, dass das feinste von ihm geklärt werde, und dann in die Arteria venosa [Lungenvene] fließe, um in die linke der beiden Herzkammern befördert zu werden, nachdem es sich mit der Luft vermischt hat und dazu tauglich geworden ist, dass der (Lebens-) Geist aus ihm entstehe. Was aber davon als wenig geläutert zurückbleibt, das verwendet die Lunge zu ihrer Ernährung."
Der folgende arabische Originaltext von Ibn al-Nafis ist ebenfalls aus Max Meyerhofs Artikel entnommen:
Abb. 3: Der oben zitierte Text von Ibn al-Nafis auf Arabisch
Quelle:
"Ibn an-Nafis und seine Theorie des Lungenkreislaufs" von Max Meyerhof, in
"Quellen und Studien zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Medizin",
Band 4, 1935, S. 37-88, S. [5]
Abb. 4: Ibn al-Nafis' Vorstellung vom Blutweg im Körper – nach einer Zeichnung von Kévin [3]
Wie kann man feststellen, auf welche Weise Herz und Lungen zusammenwirken?
Für viele Kinder haben Herz und Lungen getrennte Funktionen:
- Das Herz verteilt das Blut im Körper.
- Die Lungen sind zum Atmen da.
Wie lässt sich eine Verbindung dieser beiden Organe, wie sie Ibn al-Nafis
beschreibt, nachweisen?
Die Lunge kennt man als Atmungsorgan, in das
Luft eindringen (Einatmen) und ausströmen (Ausatmen) kann, während das
Herz ein Organ ist, das Blut enthält. Einigen Kindern ist sicherlich schon die
Verbindung zwischen Atemlosigkeit – infolge einer physischen Anstrengung
– und beschleunigtem Herzschlag aufgefallen: "Wenn man lange rennt,
schlägt das Herz sehr schnell, sehr stark und es fällt schwer zu atmen." Die
Korrelation von Atmung und Herztätigkeit lässt sich feststellen, indem man die
Atemfrequenz und die Herzfrequenz im Ruhezustand und nach einer Anstrengung
misst.
Messung der Herzfrequenz
Man kann einfach die Pulsfrequenz bestimmen: Zeige- und Mittelfinger an der Innenseite des Unterarms auf die Speichenarterie (Arteria radialis) legen oder auf die Halsschlagader (Carotis), rechts oder links vom Kehlkopf (Larynx) unterhalb des Unterkiefers. Die Pulsschläge entstehen durch eine Druckwelle, die sich, vom Herzschlag ausgelöst, entlang der Gefäßwände fortpflanzt.
Die Herzfrequenz entspricht der Zahl der Pulsschläge pro Minute. Jeder Schüler notiert die Zahl der Pulsschläge pro Minute, im Ruhezustand und nach einer Anstrengung, zum Beispiel nach 20 Kniebeugen.
Abb. 5: Ein Kind beim Messen seiner Herzfrequenz
Messung der Atemfrequenz
Man zählt die Atemzyklen. Einmal Einatmen und dann Ausatmen entspricht einem Zyklus. Die Frequenz ist also die Zahl der Atemzyklen pro Minute. Auch hier wird die Messung zunächst im Ruhezustand vorgenommen und anschließend nach einer Anstrengung, der gleichen wie bei der Messung der Pulsfrequenz.
Abb. 6: Darstellung eines Atemzyklus
Die Messungen werden wiederholt und in einer Tabelle zusammengestellt; es werden Mittelwerte gebildet.
Messvorgang | Ruhezustand | nach Anstrengung |
---|---|---|
Atemfrequenz |
26 27 28 |
40 42 40 |
Mittelwert: 27 Zyklen/min | Mittelwert: 40,6 Zyklen/min | |
Herzfrequenz |
80 90 70 |
120 120 110 |
Mittelwert: 80 Schläge/min | Mittelwert: 116 Schläge/min |
Tab. 1: Messungen der Atem- und der Herzfrequenz
Abb. 7: Darstellung der Messwerte für die Atem- und Herzfrequenz in einem Histogramm
Die beiden Frequenzen – Herz- und Atemfrequenz – ändern sich bei Anstrengung in gleicher Weise. Die Kinder suchen nach einer Erklärung für den Zusammenhang zwischen beiden Frequenzen. Für die Mehrheit der Kinder geht die eingeatmete Luft in die Lungen und wird dort zur ausgeatmeten Luft, ohne mit dem Blut in Kontakt zu kommen. Im Rückblick auf Ibn al-Nafis‘ Beschreibung kann man sich die Frage stellen, ob in den Lungen Blut vorhanden ist. Wie könnte man das feststellen?
Gibt es in den Lungen Blut?
Um das herauszufinden, beobachten, berühren und zerschneiden die Kinder Lungen. Ein Herz-Lungen-System, vorzugsweise vom Schaf, dient zur Demonstration (man braucht mindestens zwei Herz-Lungen-Systeme, eins bleibt intakt und dient als Referenz, während das andere zerschnitten wird).
Mit bloßem Auge lassen sich zwei Lungen mit je drei Lappen erkennen, sowie zwei Arten von "Röhren", solche die sich hart anfühlen, mit Ringen (Tracheen und Bronchien) und weiche (Blutgefäße).
Abb. 8: Foto und Darstellung des Herz-Lungen-Systems (links: Foto und © Didier Pol, rechts: nach einer Zeichnung von Sarah [3])
In Abbildung 8 ist das Herz-Lungen-System eines Schafes (äußere Ansicht) abgebildet. Das Herz und die Lungen eines Schafes sind deshalb für unsere Untersuchung besonders geeignet, weil deren Aussehen und Funktion dem menschlichen Herz-Lungen-System ähnelt. Damit die Kinder leichter verstehen, dass die beiden Herzhälften links-rechts-vertauscht sind, wenn man von vorn auf den Körper schaut, kann man ihnen eine Abbildung des Brustkorbes in einem Buch zeigen (von vorn und von der Seite), so dass ihnen klar wird, wo Herz und Lungen liegen und sie eine entsprechende seitenrichtige Zeichnung anfertigen können.
Die Kinder schlagen oft vor, in die Luftröhre (Trachea) zu pusten, um zu sehen, wie Luft in die Lungen eindringt und wieder austritt. Besser ist jedoch, eine mit Luft gefüllte Spritze zu verwenden, anstatt mit (sauerstoffärmerer und CO2-angereicherter) Atemluft zu pusten. Man führt ein Stück Gartenschlauch in die Luftröhre ein und kneift diese so zusammen, dass die Verbindung einigermaßen dicht ist. Dann lässt man die Kinder pusten. Die Lungen schwellen an und werden fast weiß. Die Lungen, in die nicht geblasen wurde, bleiben rot und ändern ihr Volumen nicht.
Das Herz ändert sich weder im Volumen noch in der Farbe. Man sieht also, wie Luft durch die Luftröhre in die Lungen eindringt, aber nicht, wie sie wieder herauskommt. Wenn man die aufgeblasenen Lungen mit den "Referenzlungen" vergleicht, stellt man fest, das Erstere sich körnig anfühlen und kleine Bläschen aufweisen, die beim Draufdrücken platzen, während die Referenzlungen sich nach wie vor weich anfühlen. Nun werden 2 cm dicke Querschnitte aus der aufgeblähten und der Referenzlunge herausgeschnitten (quer zur Längsrichtung) und in eine mit Wasser gefüllte Wanne gelegt. Man beobachtet bei der aufgeblähten Lunge kleine Blutgerinsel und Bläschen; bei der Referenzlunge ebenfalls Blutgerinsel, jedoch keine Bläschen.
Abb. 9: Foto und Zeichnung eines aufgeblasenen und eines nicht aufgeblasenen Lungenstücks (links: Foto und © Nadia Ouahioune, rechts: Zeichnung von Lice [3])
Einige Kinder haben sofort eine Analogie parat: die Blasen, die entstehen, wenn man beim Baden "Gase aus dem Körper entweichen" lässt. Das Stück aufgeblasene Lunge schwimmt, während das andere Stück untergeht. Überrascht beobachten die Kinder auch, dass Blutströpfchen aus den Lungenstücken austreten. Die Bläschen erklären sie sich durch das Vorhandensein von "Röhren" für die Luft, und die Blutstropfen mit der Existenz von anderen "Röhren". Anschließend werden die Lungenschnitte zusammengepresst, um Luft und Blutstropfen aus den Lungenstücken herauszudrücken.
Abb. 10: Stücke einer aufgeblasenen und einer nicht aufgeblasenen Lunge in Wasser (links: Foto und © Nadia Ouahioune, rechts: Zeichnung von Lice [3])
Abb. 11: Foto eines aufgeblasenen Lungenstücks. Man sieht Luftbläschen und Blutstropfen.
Die Kinder haben also verschiedene Arten von "Röhren" ausgemacht: solche, die Luft transportieren (Luftröhre, Bronchien), und solche, die Blut enthalten (Blutgefäße).
Wenn man anschließend wieder das ganze Herz-Lungen-System betrachtet, sieht man, dass Herz und Lungen durch Blutgefäße verbunden sind und es stellt sich die Frage, welche Wege das Blut zwischen den beiden Organen tatsächlich nimmt.
Welchen Weg nimmt das Blut zwischen Herz und Lungen?
Jetzt kommen wir auf die Beschreibungen von Galenos und Ibn al-Nafis zurück und finden dort zwei Hypothesen für die Blutwege. Nach Galenos‘ Beschreibung ist die Herzscheidewand zwischen den Kammern (Ventrikeln) durchlässig, und Blut dringt durch kleine Poren aus der rechten in die linke Herzkammer.
Bei Ibn al-Nafis ist die Herzscheidewand undurchlässig. Das Blut kommt aus der rechten Herzkammer in die Lungen und fließt aus diesen zurück in die linke Herzkammer.
Abb. 12: Ventrale (bauchseitige) Ansicht eines Schafsherzens (links: Foto und © Didier Pol, rechts: Zeichnung von Aurore [3])
Will man die beiden Hypothesen prüfen, muss man sich zuvor mit den beiden Ansichten des Herzens beschäftigen: der ventralen (bauchseitigen) und der dorsalen (rückseitigen). Im Gegensatz zur dorsalen zeigt die ventrale Oberfläche eine schräge, ausgeprägte Herzkranzfurche zwischen den Kammern (Sulcus interventricularis). Sie zeigt den Verlauf der Herzscheidewand zwischen linker und rechter Herzhälfte an. Mit Hilfe von Strohhalmen, die in die Blutgefäße eingeführt werden, lässt sich grob der innere Aufbau feststellen. Das Herz hat:
- vier Kammern: zwei Vorhöfe und zwei Herzkammern;
- zwei Arten von Gefäßen (oben am Herzen): Arterien, mit einer festen, weißen Gefäßwand, und Venen mit einer weichen, roten Gefäßwand. Durch die Arterien fließt das Blut aus dem Herzen, während die Venen das zum Herzen zurückkommende Blut transportieren.
Wie kann man Galenos‘ Hypothese prüfen?
Wenn man das Herz aufschneidet, stellt man fest, dass die Herzscheidewand eine raue Textur aufweist, die einige Kinder denken lässt, dass es "so eine Art Löcher" geben könnte, durch die das Blut von einer Kammer in die andere gelangen könnte.
Abb. 13: Offene rechte und linke Herzhälfte (Foto und © Nadia Ouahioune)
Um zu überprüfen, ob die Scheidewand tatsächlich "Löcher" hat, könnte man das rechte Herz mit einer bestimmten Menge Wasser (das einfach mit Tinte gefärbt wird) füllen und mit einem Gummiband die beiden Herzhälften dicht verschließen. Dazu nimmt man das von den Lungen getrennte Herz mit hinreichend langen Gefäßabschnitten (2-4 cm), wie im Anhang erklärt. Das Herz kann in einem durchsichtigen Plastikgefäß "aufrecht" gehalten werden.
Ein paar Stunden später oder am Ende des Schultages, dreht man das Herz sorgsam um und leert es aus. Zunächst die rechte Herzhälfte: Es tritt gefärbtes Wasser aus, und zwar exakt die gleiche Menge, die auch ursprünglich eingefüllt wurde. Dann die linke Herzhälfte: Es tritt keine Flüssigkeit aus. Das gefärbte Wasser ist also nicht in die linke Herzhälfte gedrungen. Die Herzscheidewand ist vollkommen dicht, so wie es Ibn al-Nafis beschrieben hat.
Wie kann man Ibn al-Nafis‘ Hypothese prüfen?
Bei Ibn al-Nafis fließt das Blut nur in eine Richtung: Das Blut kommt in der rechten Herzkammer an → es fließt durch die Lungenarterie aus der rechten Herzkammer hinaus → das Blut tritt in die Lungen → es tritt aus den Lungen hinaus → das Blut fließt durch die Lungenvene in die linke Herzkammer. Nach Ibn al-Nafis fließt das Blut von der rechten Herzhälfte durch die Lungenarterie in die Lungen, mischt sich mit dem "Lebensatem" und findet durch die Lungenvene seinen Weg zurück in die linke Herzhälfte.
Hier kann man zur Simulation des Blutes wieder mit gefärbtem Wasser herumexperimentieren. Man kann es in die einzelnen Gefäße gießen und beobachten, wo das Blut ins Herz hinein und wo es aus dem Herzen wieder herauskommt. Nach mehreren Versuchen mit den verschiedenen Gefäßen werden die Kinder merken, dass wenn man das farbige Wasser in die Hohlvene an der rechten Herzseite gibt, es aus der Lungenarterie wieder austritt. Wenn es durch die Lungenvene auf der linken Herzseite eingefüllt wird, kommt es aus der Aorta wieder heraus.
Abb. 14: Ventrale und dorsale Ansicht eines Schafsherzens (Foto und © Didier Pol)
Abb. 15: Die Kinder können in einer schematischen Zeichnung des sezierten Herzens den Weg des Blutes im Herzen (den "kleinen Blutkreislauf") einzeichnen.
Epilog
Die Geschichte des Blutkreislaufs endet nicht mit Ibn al-Nafis. Von ihm ist eine erste Beschreibung der Blutbewegung von der rechten Herzhälfte zu den Lungen und von den Lungen zur linken Herzhälfte überliefert, eine "Verbesserung" der – im übrigen noch lange die "medizinische Philosophie" prägenden – Texte von Galenos, von der eine Reihe treuer Galenos-Adepten in Paris und Padua Anfang des 16. Jahrhunderts wohl nichts wussten, als auch sie zu dieser Verbesserung kamen, die dann William Harvey im revolutionären England veranlasste, die vom Herzen transportierte Blutmenge zu errechnen und angesichts des Volumens folgerichtig zu schließen, dass es neben dem kleinen auch einen großen (Körper-) Kreislauf des Blutes geben müsse, zumal sich der Rücklauf an abgebundenen Gliedmaßen demonstrieren ließ.
Abb. 16: Kinderzeichnung des großen Blutkreislaufs (siehe auch das Kreislaufsystem im menschlichen Organismus )
Anhang: Sezieren des Herzens – Kurzversion
Es folgt eine kurze Beschreibung des Sezierens des Herzens. Nähere Einzelheiten sind in den folgenden beiden Dateien beschrieben:
Man legt das Herz in die Sezierschale mit der Bauchseite nach oben.
Öffnung der rechten Herzhälfte: Man führt die Schere in die Arterie an der rechten Kammer (Lungenarterie) ein und schneidet oberhalb der Herzkranzfurche an dieser entlang (Einschnitte 1 und 2)
Öffnung der linken Herzhälfte: Man führt die Schere in die mit der linken Herzkammer verbundene Arterie ein und schneidet unterhalb der Herzkranzfurche an dieser entlang (Einschnitte 3 und 4).
Abb. 17: Öffnung der beiden Herzhälften
Feststellung von ventraler und dorsaler Seite des Herzens
Die ventrale Seite weist im Gegensatz zur dorsalen Seite eine schräge Herzkranzfurche auf und wölbt sich vor. Sondiert man mit Strohhalmen das Innere, so stellt man fest, dass das Herz zwei, durch eine Scheidewand getrennte, Hohlräume hat, und die Herzkranzfurche dem Verlauf der inneren Wand entspricht.
Abtrennen des Herzens vom Herz-Lungen-System
Man durchschneidet die Herzgefäße und achtet dabei darauf, dass Gefäßenden von mindestens 4 cm Länge stehen bleiben, damit sich Farbe und Textur der Gefäßwand leicht untersuchen lassen. Auch sollen die Gefäßenden zur Einführung von Plastikschläuchen und zum Einfüllen von Wasser (mit Hilfe der Spritze) dienen, damit man den Weg des Blutes im Herzinneren bestimmen kann. Schließlich lassen sich so auch die rechte und linke Herzhälfte leichter öffnen und Pulmonalklappe und Aortenklappe bleiben unversehrt. Man kann sich auch Herzen vom Schlachthof besorgen, aber oft sind diese nicht intakt und die Gefäße zu kurz abgeschnitten.
Abb. 18: Kinder beim Experimentieren
Erkennung der beiden Gefäßtypen am oberen Teil des Herzens
- Arterien: weiße, starre Wand
- Venen: rote, weiche Wand
Weiterführende Untersuchungen
Die Kinder wissen jetzt Bescheid über die Luft in den Lungen, und dass die Luft mit dem Blut in den Lungen in Kontakt kommt, aber sie haben keine Ahnung, wie es in den Lungenbläschen (Alveolen) zur "Mischung" von Blut und Luft kommt. Gegebenenfalls kann der Lehrer einen Versuch vorschlagen, der die Wirkung von Luft, genauer gesagt von Sauerstoff, auf das Blut sichtbar werden lässt.
Man braucht zwei Fläschchen mit Blut. In eins führt man den Schlauch eines Luftsprudlers ein (wie bei einem Aquarium) und das Blut färbt sich hellrot, während das Blut in dem verschlossenen Fläschchen dunkelrot ist. Die Farbdifferenz bietet Gelegenheit, noch einmal den Zusammenhang von Luft und Blut in den Lungen abzufragen: Wie kommt das Blut in die Lungen? Woher kommt das Blut?
Fußnoten
1: Galenos von Pergamon ist auch unter dem Namen Galen bekannt.
2: Der Artikel "Die sagenhafte (Wieder-) Aufnahme naturkundlichen Denkens in den mittelalterlichen islamischen Reichen" stellt einige Autoren arabischer Schriften des Mittelalters im historischen/naturwissenschaftshistorischen Kontext vor.
3: Die Zeichnungen wurden von Schülern der École Joliot Curie in Montreuil (Frankreich) gezeichnet. Lice, Aurore und Kévin sind in der 5. Klasse (CM2) und Sarah in der 4. Klasse (CM1).
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023