Mein Haus, mein Planet und ich! – pädagogische Hintergründe
Autoren: | |
Publikation: | 27.3.2012 |
Lernstufe: | 3 |
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
- Wie gestaltet sich das Lernen durch Erkunden im naturwissenschaftlichen Unterricht?
- Die Kenntnisse der Schüler bewerten
- Verbindungen zu den Lehrplänen
- Mögliche Fortsetzungen des Projekts
Wir lernen am besten, wenn wir uns selbst die Fragen stellen.
Nachdenken heißt in erster Linie verstehen, dass man nicht verstanden hatte.
Wie gestaltet sich das Lernen durch Erkunden im naturwissenschaftlichen Unterricht?
Je nach Thema, Art der Nachforschung, Reaktionen der Schüler, je nach Material und zur Verfügung stehender Zeit, kann das Unterrichtsmodul "Mein Haus, mein Planet und ich!" ganz verschieden gestaltet werden. Was bleibt, ist das Lernen durch Erkunden, das grundsätzlich in drei Phasen abläuft:
- 1. Phase: Die Fragestellung, die vom Lehrer oder von den Schülern ausgeht.
- 2. Phase: Die Nachforschung: Literaturrecherche und/oder Experimente und/oder Beobachtung, ...
- 3. Phase: Die Strukturierung der (Er)Kenntnisse – was wiederum eine neue Fragestellung, ein neues Nachforschen nach sich ziehen kann.
Die drei Phasen müssen nicht unbedingt in einer Unterrichtsstunde durchgenommen werden. Zum Beispiel geht es bei dem Bau eines mit Sonnenenergie betriebenen Wasserboilers in der ersten Stunde "nur" um die verschiedenen Parameter (Farbe, Material, ...). Die nächsten beiden Stunden befassen sich dann mit dem Bau und den Tests. Am Ende der letzten Stunde werden die verschiedenen Begriffe noch einmal in ihrem Kontext erörtert und die erworbenen Kenntnisse strukturiert.
Im Folgenden werden anhand des Unterrichtsmoduls "Mein Haus, mein Planet und ich!" die Stellung der schriftlichen Arbeit und die Rolle des Lehrers genauer bestimmt – und zwar in allen drei Phasen der Erkundung: Fragestellung, Nachforschung und Strukturierung der Kenntnisse.
Die Fragestellung
Die Fragestellungen sind der Leitfaden in dem Modul, sie bestimmen, wie die Themen aufeinander aufbauen (Inwiefern kommen Bauten den Bedürfnissen der Menschen nach? Welches sind die Auswirkungen des Bauens und Wohnens auf die Umwelt? Wie sieht ein Haus aus, das weniger Wasser und Energie verbraucht? Welches sind die Unterschiede zwischen Einfamilien- und Mehrfamilienhaus? Wie sollte man bei der Stadt- und Stadtviertelplanung umdenken?), sie bestimmen den Ablauf der einzelnen Unterrichtsstunde (Was bewirkt ein Dämmstoff?).
Aus der Vielzahl der Antworten und ihrer Gegenüberstellung wird sich – insbesondere wenn dabei Meinungsverschiedenheiten auftauchen – eine Fragestellung ergeben (es können auch mehrere sein), die die Schüler dann lösen müssen. Dem Lehrer kommt dabei die schwierige Aufgabe zu, die Diskussion so zu leiten, dass die Schüler auch auf Fragestellungen kommen, und herausfinden, was sie wissen bzw. beweisen möchten. Dazu ermuntert er die Schüler, miteinander zu reden und bringt sie auf Ideen: "Was haltet ihr davon, ...? Was würdet ihr sagen?".
Die Unterrichtsstunde 2.1: "Die ungleiche Verteilung der natürlichen Ressourcen" ist ein gutes Beispiel. Es geht um die für das Weitere entscheidende Einführung in das Kernthema des Projekts. Debatte und Austausch unter den Schülern sind in dieser Stunde besonders wichtig. Zunächst sollen die Schüler – "Ihr seid jetzt die Weltbevölkerung" – sich nach ihren Vorstellungen, dann schrittweise bis diese stimmen, im richtigen Verhältnis zu "Einwohnern der Kontinente" gruppieren. Im Laufe der nächsten Aufgaben (bei der Aufteilung des wirtschaftlichen Reichtums, der Trinkwasservorräte und der Treibhausgasemissionen) entwickelt sich aus ihren Anfangsvorstellungen die Feststellung: "Es sind die Bewohner der ärmsten Kontinente, die die Umwelt am wenigsten verschmutzen und am schlechtesten untergebracht sind". Die ausformulierte Frage kann etwa so lauten: "Wir stellen fest, dass der wirtschaftliche Reichtum und die Trinkwasservorräte nicht gleichmäßig verteilt sind. 2050 wird es auf der Erde 9 Milliarden Bewohner geben. Damit alle leben können, müssen wir unseren Energie- und Wasserverbrauch einschränken. Wie könnten wir das bewerkstelligen?"
Die Formulierung der Hypothesen
Schüler machen mehr oder weniger intuitiv richtige oder/und falsche Aussagen. Zum Beispiel behaupten die meisten Schüler in der Unterrichtsstunde 3.1 zum Thema Dämmstoffe, dass Wolle "wärmt". Sie sagen das, weil sie von der richtigen Feststellung ausgehen: "Wenn ich friere, ziehe ich mir einen Pullover an, und dann ist mir warm." Erst wenn sie sich ein Experiment ausgedacht und durchgeführt haben, verstehen sie, dass Wolle anders wirkt als die Sonne oder die Heizung. Sie lernen, dass sie die Behauptung "Wolle wärmt" als Hypothese formulieren können, die sie mit dem Experiment prüfen können. Das Experiment ist Mittel zum Zweck, Behauptungen zu beweisen oder zu entkräften.
Die Diskussion von Anfangsvorstellungen der Schüler ist ausschlaggebend. Die ersten Zeichnungen der Kinder lassen erkennen, auf welche Weise das Haus in ihrem täglichen Leben wichtig ist: Das ideale Haus ist ein Einfamilienhaus mit wenigen oder gar keinen Verbindungen zur Umgebung.
Das Ziel ist daher, dass den Schülern bewusst wird, dass ihr Haus sehr wohl eng mit der Umgebung verbunden ist. Auffassungen und Hypothesen der Schüler (was sie zu wissen glauben; inwieweit sie denken, ein Phänomen verstanden zu haben, und wie sie es erklären würden) können individuell aufgeschrieben oder gleich im Rahmen der gesamten Klasse zur Sprache gebracht werden.
Schriftlich:
- In Form einer Zeichnung mit Legende, wie in der ersten Unterrichtsstunde, in der die Schüler aufgefordert werden, ihr Wunschhaus zu zeichnen, oder wie in der Unterrichtsstunde 3.5: "Wie kann man mit Sonnenenergie Wasser erwärmen?", in der die Schüler ihre Ideen in Form eines Schemas darlegen sollen.
- In Form einer Liste, zum Beispiel wenn die Schüler nach den verschiedenen Behausungstypen in der Welt gefragt werden.
- In Form eines Textes, zum Beispiel als Antwort auf eine Frage wie "Gibt es einen Weg, das Haus zu heizen, ohne dass Energiekosten anfallen?".
- In Form einer "Umfrage" im Elternhaus, wie in der Unterrichtsstunde 4.2: "Der Wasserbedarf beim Wohnen", wo die Schüler zu Hause die verschiedenen Arten des Wasserverbrauchs erkunden.
Mündlich:
- In Form eines Rollenspiels, wie in der Unterrichtsstunde 2.1: "Die ungleiche Verteilung der natürlichen Ressourcen", in der sich die Schüler anteilig auf die Kontinente verteilen, so wie sie sich die Bevölkerungsverteilung vorstellen.
- In Form einer Diskussionsrunde unter den Schülern: "Warum nennt man unseren Planeten den ‚Blauen Planeten‘?", und daran anschließend "Warum sagt man denn, dass Wasser so wertvoll sei?".
Die Erforschungsphase
Während dieser Phase begeben sich die Schüler unter Anleitung des Lehrers auf die Suche nach Lösungen und Antworten auf die Eingangsfrage. Es gilt, die Hypothesen zu überprüfen, die als überprüfenswert festgehalten wurden.
Der Lehrer achtet darauf, dass die Schüler selbst die Modalitäten dieser Recherche bestimmen; die Schüler sollen nicht einfach "nur" eine Aufgabe erfüllen.
Wenn man kein Experiment machen kann, lassen sich Hypothesen auch auf andere Weise bestätigen oder widerlegen: zum Beispiel mit Recherchen in Sachbüchern oder im Internet, anhand von Modellen oder durch Nachfragen bei Fachleuten.
Abb. 1: Kinder beim Experimentieren (4. Klasse von Kristophe Léonard, Lavelanet/Frankreich)
Das Modul "Mein Haus, mein Planet und ich!" bietet eine Fülle von Recherchemöglichkeiten. Hier sind einige Beispiele:
- Experimente: Was bewirkt ein Dämmstoff? Wie beeinflusst die Kompaktheit eines Hauses dessen thermische Eigenschaften? (Unterrichtsstunden 3.1, 3.4, 3.5, 5.2).
- Recherche in Sachbüchern und im Internet: Welche Behausungstypen gibt es auf der Welt? Welche Baustoffe sind am umweltfreundlichsten? Wie kann ich mein Haus belüften, ohne die Wärmedämmung zu beeinträchtigen? (1.2, 1.3, 2.1, 2.2, 3.3, 4.1, 5.3).
- Modellbildung: Wohnung oder Einfamilienhaus – macht das einen Unterschied? (5.1)
- Bauen: Ist es möglich, aus Lehm eine Mauer zu bauen? Wie kann man einen mit Sonnenenergie betriebenen Wasserboiler bauen? (2.3, 3.7).
- Beobachtung: Das eigene Wohnviertel erkunden (5.4, 5.5), Strukturierung der gewonnenen Kenntnisse.
Die Strukturierung der Kenntnisse
Wir haben gesehen, wie wichtig es ist, während des Erkundens mit immer neuen Fragen nachzuhaken: sowohl bei der Klärung der Fragestellung als auch in der Diskussion der Ergebnisse eines Experiments oder in der Debatte um kontroverse Gesichtspunkte. Manchmal müssen Frage- und Erkundungsphasen mehrfach abwechselnd durchlaufen werden, bevor die Ausgangsfrage beantwortet und etwas Neues gelernt ist.
Die Diskussion im Rahmen der gesamten Klasse ist die Phase, in der der gemeinsame Wissenszuwachs zustande kommt. Der Austausch unter den Schülern steht dabei im Mittelpunkt. Die abschließende Phase darf nicht als ein Dialog zwischen Schülern und Lehrer ablaufen, vielmehr müssen die Schüler unter sich einen Konsens finden – mit Hilfestellung bzw. Moderation des Lehrers.
Die Klasse entwirft gemeinsam eine schriftliche Zusammenfassung von dem, was gelernt und verstanden wurde. Mit dieser Zusammenfassung wird ein gewisser Abstand von der durchgeführten Untersuchung gewonnen, man kann beginnen, sie zu verallgemeinern und zu konzeptualisieren. "Dieser Pullover" und "Wolle" fallen jetzt, ihrem stofflichen Charakter entsprechend, unter den Überbegriff "Dämmstoff" – als passenden Überbegriff für Stoffe, die die gleichen (in diesem Fall wärmedämmenden) Eigenschaften haben. Diese gemeinsame Zusammenfassung kann auch mit anderen Darstellungsformen ausgestaltet werden: Grafik, Schema, ...
Die Zusammenfassung der Klasse sollte einvernehmlich sein, was allerdings noch nicht heißt, dass sie auch richtig ist. Es können alle einer irrigen Meinung sein. Deshalb gehört zu einer Erkundung unbedingt auch eine Gegenüberstellung der in der Klasse erarbeiteten Zusammenfassung mit dem wissenschaftlich etablierten Wissen. Es können zum Beispiel Bücher und das Internet zurate gezogen werden ... oder auch der Lehrer, der ja wissenschaftlich ausgebildet ist.
In dem Modul "Mein Haus, mein Planet und ich!" steht am Ende jeder Unterrichtsstunde ein Muster für eine Zusammenfassung. Das sind natürlich nur Beispiele (die auf Erfahrungen mit Klassen beruhen), die dem Lehrer lediglich als Leitlinie dienen sollen. Es wäre schade, wenn diese Zusammenfassungen einfach übernommen würden. Die Klasse sollte aufgrund ihrer eigenen Arbeit zu einer eigenen Zusammenfassung kommen
Die Rolle der Lehrenden
Beim Lernen durch Erkunden/Erforschen, wo die Schüler möglichst selbst aktiv sein sollen, hat der Lehrer eine Doppelrolle. Er ist nicht mehr nur derjenige, der Wissen vermittelt. Er hilft den Schülern auch über das selbständige Lernen Selbstbewusstsein zu gewinnen.
Dazu muss er die Fähigkeiten jedes einzelnen Schülers kennen und den Wissensstand der gesamten Klasse. Er macht sich Gedanken sowohl über die allgemeine Atmosphäre in der Klasse als auch zum Arbeitsrhythmus jedes einzelnen bzw. jeder Gruppe. Er hilft beim Nachdenken oder stößt, falls nötig, Überlegungen neu an, entscheidet, wann der nächste Schritt gemacht werden kann, fasst immer mal zusammen oder verallgemeinert: Er ist gleichsam "Coach" und "Trainer" der Klasse.
Seine zweite (vielleicht weniger klassische) Rolle wird deutlich, wenn der Lehrer mit den Schülern kommuniziert oder auch beim Austausch der Schüler untereinander. Zum Beispiel wenn der Lehrer die Vorschläge der Schüler hinterfragt und nicht nur mit "richtig" oder "falsch" kommentiert. "Nach deiner Meinung, was/wie/wo ...?", "Was meint ihr zu dem, was ... gesagt hat?", "Seid ihr mit dem, was ... gesagt hat, einverstanden?" Oder wenn er die Schüler diskutieren und argumentieren lässt, während er den Schiedsrichter spielt oder moderiert. Er ist stiller Teilnehmer an den Beobachtungen und kann bezeugen, dass alle Bedingungen eingehalten wurden. Er ist der Vermittler zwischen der anerkannten Wissenschaft und den Schülern. Er entscheidet, auf welche Vorschläge der Schüler eingegangen wird, welche zur Ausführung kommen und welche nicht, und begründet die Entscheidung. Zum Schluss bewertet er die wissenschaftliche Gültigkeit der Arbeitsergebnisse der Schüler. Er ist der "Wissenschaftsmediator".
Naturwissenschaften und Sprache
Mündlicher und schriftlicher Austausch sind im gesamten Projekt "Mein Haus, mein Planet und ich!" allgegenwärtig. Von besonderer Bedeutung ist das Experimentierheft, dessen Gebrauch wir daher genauer beschreiben wollen.
Warum sollten die Schüler schreiben? Mit der Niederschrift gewinnt man Abstand, die Dinge stellen sich klarer dar; sie hilft, die eigenen Gedanken so zu formulieren, dass andere sie verstehen können. Schüler, die diese Herangehensweise nicht kennen, werden von sich aus nur wenig schreiben. Ins Experimentierheft schreiben will gelernt sein. Es fällt weniger schwer, sobald die Schüler feststellen, wie nützlich ihre schriftlichen Notizen sind.
Abb. 2: Auszug aus einem Experimentierheft (nach einer Zeichnung von Kristophe Léonard, 4. Klasse, Lavelanet/Frankreich)
Jede Art Aufzeichnung im Heft, ob Schriftstück, Zeichnung, Schema, Legende, beschreibender oder erklärender Text, fördert den Erwerb von Kenntnissen.
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Schreiben für den Eigengebrauch:
Die Aufzeichnungen helfen bei der Arbeit (einen experimentellen Aufbau zu durchdenken, eine Auswahl zu treffen, zu planen, Ergebnisse vorherzusehen); sie helfen, Dinge zu behalten (das Beobachtete, das Erforschte, das Gelesene, man kann zu früheren Notizen zurückblättern) und zu verstehen (organisieren, sortieren, strukturieren, Verbindungen zu früheren Aufzeichnungen herstellen, gemeinsame Zusammenfassungen ausformulieren). -
Schreiben für andere:
Die Aufzeichnung hilft bei der Weitergabe eigener Kenntnisse; sie fördert die Diskussion mit anderen Schülern oder mit schulfremden Personen (Familie, ...); sie erklärt, was verstanden wurde; sie fasst zusammen, ...
Im Experimentierheft gibt es zweierlei Seiten: diejenigen mit individuellen Aufzeichnungen und diejenigen mit Aufzeichnungen, die die gesamte Klasse gemeinsam verfasst hat. Individuell verfasste Aufzeichnungen sind der persönliche Bereich des Schülers. Dort werden seine ersten Gedanken zu einer neuen Fragestellung aufgeschrieben, oder die Aktivitäten beschrieben, die ihm dabei helfen könnten, die Antworten auf die Eingangsfrage/n zu finden. Dort hält er auch seine Vorhersagen und seine Berichte fest. Es kann sich um Texte handeln, oder um Schemata, um Zeichnungen, um Diagramme usw. Sie halten zum Nachdenken an und dazu, die Vorgehensweise zu verinnerlichen. Dem Lehrer zeigen sie die Fortschritte und die persönliche Entwicklung jedes Schülers. Der Lehrer sollte in diese Aufzeichnungen nicht eingreifen (um zum Beispiel Rechtschreibfehler zu korrigieren). Seine Hilfe sollte sich auf die übersichtliche Gestaltung des Experimentierhefts beschränken.
Zu Anfang sind die Aufzeichnungen meist wenig klar und strukturiert, sie werden erst allmählich besser: wenn Beschreibungen der experimentellen Aufbauten hinzukommen (inklusive Materialliste, Protokoll, Schema oder Zeichnung), wenn Ergebnisse aufgeschrieben und interpretiert werden, wenn am Schluss eine Zusammenfassung steht, ...
Dagegen sind die gemeinsamen Aufzeichnungen, die aus der Diskussion der Ideen und Vorschläge der Klasse resultieren, von Anfang an klar und eindeutig lesbar. Sie werden von der gesamten Klasse "genehmigt", sollten frei von Grammatik- und Rechtschreibfehlern und begrifflich präzis sein.
Die Kenntnisse der Schüler bewerten
Wie lassen sich in solch einem Projekt von den Schülern gewonnene Kenntnisse und entwickelte Fähigkeiten beurteilen? Das hängt natürlich ganz davon ab, was der Zweck der Beurteilung ist. Soll die Prüfung, ob die Schüler diesen oder jenen Begriff richtig verstanden haben, am Ende zur Benotung dienen? Oder geht es vielmehr darum, nachzuvollziehen, was die Schüler im Laufe ihrer Erkundungen dazugelernt haben, wie sich ihr Denkvermögen entwickelt hat, damit der Lehrer Konsequenzen ziehen und die Weiterarbeit im Projekt dementsprechend gestalten kann?
Zur Notenvergabe empfiehlt sich die "summative Evaluation" mit Hilfe eines Fragebogens. Ein Beispiel für den Fragebogen findet sich unter "Evaluation zum Projekt 'Mein Haus, mein Planet und ich!'".
Im Fragebogen wird nach den Hauptergebnissen des Unterrichtsmoduls gefragt:
-
Bei einem Haus, das man als ökologisch bezeichnet:
- sind die Energiekosten niedrig,
- ist der Wasserverbrauch gering,
- belasten die verwendeten Baustoffe die Umwelt so wenig wie möglich.
- Bei einem Mehrfamilienhaus sind Energieverbrauch, verbaute Fläche und der Verbrauch von Baustoffen kleiner als bei einem Einfamilienhaus.
- Zu einem ökologischen Haus gehören auch ökologisch handelnde Bewohner.
Damit lassen sich – zumindest teilweise – die gelernten Fähigkeiten evaluieren, auch zum Beispiel die Fähigkeit, einen experimentellen Aufbau zu entwerfen, mit dem eine bestimmte Fragestellung gelöst werden kann (Frage 2).
Zu manchen Fragen kann man die Schüler auffordern, ihre Antworten zu begründen, so dass sich besser evaluieren lässt, wie genau die behandelten Begriffe verstanden wurden. Wenn eine Evaluation jedoch genau, zuverlässig und nützlich sein soll, kommt man nicht darum herum, seine Aufmerksamkeit regelmäßig jedem einzelnen Schüler zuzuwenden, zu beobachten, wie er sich verhält, wie er individuell bzw. innerhalb der Gruppe arbeitet, was er in seinem Experimentierheft aufzeichnet.
Eine fortlaufende Evaluation zwingt natürlich auch, den Verlauf des Projekts gegebenenfalls neu zu gestalten. Wenn Schüler mit einem Begriff Schwierigkeiten haben, kann der Lehrer ein paar Minuten oder eine ganze Unterrichtsstunde lang das Thema wechseln und über einen solchen "Umweg" den für einige Schüler schwierigen Begriff von einer anderen Seite aufgreifen, ohne dass sich die anderen Schüler langweilen.
Wenn bereits Gelerntes wieder aufgerufen wird, sieht der Lehrer erneut, bis zu welchem Grad das Gelernte tatsächlich verstanden wurde. Zum Beispiel schlagen wir am Ende der Unterrichtsstunde 5.2: "Kompaktheit und Wärmeverlust" dem Lehrer eine Problemstellung vor, die auf das abhebt, was kurz zuvor behandelt wurde. Er sieht dann, ob die Schüler verstanden haben, dass in einem kompakt gebauten Haus der Wärmeaustausch geringer ist, und somit auch die Energiekosten geringer sind (ganz gleich, ob es ums Heizen im Winter oder ums Kühlen im Sommer geht).
Die fortlaufende "formative Evaluation" dient nicht dazu, Schüler als gute und schlechte zu beurteilen, sondern dazu, ihnen zu helfen, mit dem Lernprozess zurechtzukommen. Sie gibt dem Lehrer Hinweise, wie er die Schüler am besten fördern kann.
Das Experimentierheft eignet sich hervorragend zur formativen Evaluation, zumindest wenn die Schüler darin systematisch ihre Gedanken, Ideen, Vorstellungen, Vorhersagen, Vorschläge und Annahmen zum untersuchten Thema aufzeichnen; wenn sie in ihrem Heft auch erklären, wie sie ein bestimmtes Problem lösen wollen (mit Hilfe eines Experiments zum Beispiel), wenn sie systematisch ihre Ergebnisse dokumentieren, zusammenfassen, was sie verstanden haben, und zum Schluss gemeinsam mit der ganzen Klasse eine Schlussfolgerung erarbeiten.
Die regelmäßige Einsicht in das Experimentierheft eines Schülers und die Beobachtung seiner Arbeitsweise führen auch zur Evaluation der in den Lehrplänen beschriebenen Kompetenzen und Fähigkeiten.
-
Sich ein Thema auf naturwissenschaftliche Weise aneignen können, das
heißt:
- beobachten und nachfragen können;
- eine Hypothese formulieren und sie überprüfen können; mehrere Lösungswege ausprobieren;
- die Ergebnisse eines Experiments, einer Messung oder einer Recherche interpretieren und auswerten können.
-
Gemeinsinn und soziale Kompetenz erwerben, das heißt:
- in der Lage sein, sich anderen mitzuteilen und in einer Gruppe zu arbeiten;
- zuhören, seinen Standpunkt vertreten und nach einem Konsens suchen können;
- seine Aufgaben nach vorher gemeinsam festgelegten Regeln erfüllen können.
Sowohl bei der formativen als auch bei der summativen Evaluation, sollte der Lehrer konkret im Blick haben, was er von den Schülern erwartet. Dabei kann ihm das schematische Drehbuch des Unterrichtsmoduls helfen, in dem für jede Unterrichtseinheit die begrifflichen Ziele und die verlangten Kompetenzen angegeben sind.
Verbindungen zu den Lehrplänen
Inhalte und Herangehensweisen des Moduls "Mein Haus, mein Planet und ich!" vermitteln den Schülern Kenntnisse, Fähigkeiten und eigene Einstellungen zu Themen und Lernzielen der Lehrpläne für die Klassen 4 bis 6. Nachstehend eine Liste der Überschneidungen von Lehrplanvorgaben mit den Lernzielen dieses Unterrichtsmoduls.
Das generelle Ziel ist die notwendige naturwissenschaftliche Bildung, damit die Schüler sich ein zusammenhängendes Bild von der "natürlichen" (materiellen) Welt machen und ihre alltägliche Umgebung verstehen können. In der Auseinandersetzung mit konkreten naturwissenschaftlichen Themen werden handwerkliche Geschicklichkeit und zugleich die Aneignung abstrakter Begriffe gefördert.
Die Tabelle mit den detaillierten Verbindungen zu den Lehrplänen finden Sie in einer separaten Datei.
Abb. 3: Tabelle mit den Verbindungen zu den Lehrplänen
Mögliche Fortsetzungen des Projekts
Das Unterrichtsmodul "Mein Haus, mein Planet und ich!" erhebt nicht den Anspruch, das ökologische Bauen und Wohnen in jeder Hinsicht zu erörtern. Nachhaltige Entwicklung ist ein interdisziplinäres Thema, das man nach Belieben erweitern und vertiefen kann. Gelegenheit dazu bieten die im Modul immer wieder vorgeschlagenen Fortsetzungen sowie einige im Folgenden angegebene Beispiele.
Naturwissenschaften und Technologie
- Im Zusammenhang mit dem Entwurf eines solarbetriebenen Wasserboilers kann man zum Beispiel das Prinzip der kommunizierenden Röhren studieren. Oder man kann weitere Dämmstoffe, die Zweifach- und Dreifachisolierung bei Fenstern und/oder die Funktionsweise einer Thermoskanne untersuchen.
- Beim Thema Abfallwirtschaft kann man nachforschen, wie die Abfallmengen reduziert werden könnten, oder man kann den Wert von Abfällen untersuchen: Abfälle können bzw. sollten wiederverwertet werden, durch Recycling, Kompostieren oder Verbrennen (Energiegewinnung in Biogasanlagen oder Müllverbrennungsanlagen).
- Zur Aufbereitung von Abwasser: Filtration, Klärung sind potentielle Gegenstände weiterer Untersuchungen.
- Man kann ein Modell eines ökologischen Hauses bauen oder ein Ökoviertel modellieren.
- Bei Ausflügen kann man verschiedene Bautypen von Häusern beobachten, die Aufmerksamkeit auf die verwendeten Baustoffe richten usw.
Allgemeinbildung
- Das Studium von Haus- und Städtebau, von Baustoffwahl und Bautechniken öffnet den Schülern den Blick für Baugeschichte, und damit ganz allgemein für Geschichte. Man kann das Interesse für Geschichte zusätzlich fördern, indem man die Schüler anregt, Recherchen zur Entwicklung von Heizung und Beleuchtung in Wohn- und Arbeitsräumen anzustellen.
- Manche Bücher können den Unterricht bereichern, zum Beispiel "Treppe, Fenster, Klo: Die ungewöhnlichsten Häuser der Welt" von Aleksandra Machowiak und Daniel Mizielinski, oder "Entdecke deine Stadt" von Anke Leitzgen und Lisa Rienermann.
Kunst und Kunstgeschichte
- Werke von Malern und Architekten wie Friedensreich Hundertwasser, Frank Lloyd Wright, Le Corbusier usw. (siehe zum Beispiel das Hotel Rogner Bad Blumau von Friedensreich Hundertwasser und das Corbusier-Haus in Berlin) erläutern die Arbeit der Baumeister und regt zur Auseinandersetzung mit Zukunftsvisionen, ökologischen Ideen und baulicher Verwirklichung an.
Mathematik
- In mehreren Unterrichtsstunden dies Moduls üben die Schüler explizit ihr mathematisches Können: Sie erstellen Kurven, Tabellen und Diagramme. Auch Dreisatzrechnungen (Proportionalität) kommen wiederholt vor. In den Unterrichtsstunden über Wasser und Energie werden das Umrechnen von Einheiten und Mittelwertbildung (mittlerer Energieerbrauch pro Haushalt, ...) geübt.
Literaturrecherche
- Literaturrecherche ist ein wesentlicher Bestandteil des forschenden und entdeckenden Lernens. Dabei werden Lesen und Textverständnis geübt sowie der vernünftige und gewissenhafte Umgang mit dem Internet. In zunächst einfachen Fragestellungen lernen die Schüler ihre Suche im Netz planvoll zu organisieren (Vorgehensweise, Hilfsmittel, Quellen, Sortieren der Informationen).
Schriftliche Erzeugnisse
- Eventuell können die Schüler ihre Arbeit in einer Art Charta zusammenfassen, einen Fragebogen zum ökologischen Bauen und Wohnen oder Plakate für eine Ausstellung erstellen, oder auch ein kleines Buch "veröffentlichen".
Fußnoten
1: Jean-Jacques Rousseau, französischer Schriftsteller und Philosoph, 1712–1778. Originalzitat: "On n’apprend bien que ce qui répond aux questions que l’on se pose."
2: Gaston Bachelard, französischer Philosoph, 1884–1962. Originalzitat: "L’essence même de la réflexion c’est de comprendre qu’on n’avait pas compris."
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023