Wie zersetzen sich Blätter?
Autoren: | |||
Publikation: | 1.1.2001 | ||
Lernstufen: | 2, 3 | ||
Herkunft: | La main à la pâte, Paris | ||
Bewertung: |
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Ausgangsfrage
"Wie zersetzen sich Blätter?" Nach mehreren Unterrichtsstunden über den Wald und einigen Unterrichtsstunden zum Thema "Veränderungen" fragen sich die Schüler einer 4./5. Klasse, was aus toten Blättern wird.
Hypothesen der Schüler
Es wurden mehrere Hypothesen aufgestellt, weshalb Blätter verschwinden. Hier eine Zusammenfassung:
- Sie nutzen sich mit der Zeit ab, sie dringen in die Erde ein und verschwinden dann.
- Sie fliegen mit dem Wind weg und zerfallen zu Staub.
- Aufgrund von Feuchtigkeit und Temperaturänderungen zersetzen sie sich und werden zu Erde.
- Die Tiere (Insekten, Raupen) können sie fressen oder für den Winter wegtragen.
- Sie lösen sich auf.
- Der Gärtner verbrennt sie oder wirft sie weg (Müll).
- Sie verrotten zu mikroskopisch kleinen Teilchen.
- Die Vögel bauen daraus ihre Nester.
- Sie sind biologisch abbaubar und dienen als Pflanzendünger.
- Man klebt sie auf ein Plakat.
- Sie werden gemäht.
- Sie verdampfen in den Wolken.
Für den Lehrer stellen sich zwei Fragen:
- Die erste ist pädagogischer Art: Wie geht es weiter, wenn man eine solche Zusammenfassung von Hypothesen hat?
- Die zweite ist wissenschaftlicher Art: Welche Faktoren sind an der Zersetzung der Blätter beteiligt?
Zur Beantwortung der ersten Frage kommt der Vorschlag, einige dieser Hypothesen zu überprüfen:
- Durch Betrachtung der Laubschicht auf dem Waldboden: Wenn sie dick genug ist, kann man leicht die Zersetzung der Blätter "verfolgen", indem man Stück für Stück bis zum Humus gräbt und dabei schaut, ob weiße Fäden (Pilzmyzel) vorhanden sind.
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Durch einen Versuch: Dazu wird das Problem der Baumblätter zunächst einmal
auf Löschpapier übertragen (Vorteil: Da Löschpapier sehr dünn ist, zersetzt
es sich schnell). Wenn man in ein Glasgefäß "Erde" aus dem Wald füllt und
zwischen das Glas und die Erde ein Blatt Löschpapier legt, dabei das Ganze
leicht feucht hält, beobachtet man innerhalb von wenigen Tagen (Wochen),
dass dieses Blatt allmählich verschwindet und dabei sogar verschiedene
Farben annimmt (Rolle der Mikroorganismen). Das ist sehr spektakulär und
sehr einfach durchzuführen.
Solch ein Versuch kann der Ausgangspunkt für eine neue Versuchsreihe sein, die darauf abzielt, den Einfluss der verschiedenen Faktoren (Feuchtigkeit, Temperatur usw.) auf die Zersetzung zu untersuchen.
Der Lehrer fasst zum Schluss zusammen, dass die Zersetzung der Blätter das Ergebnis einer Zerkleinerung und eines Umgrabens durch verschiedene kleine im Waldboden lebenden Tiere ist und dass Pilze und vor allem Mikroorganismen im Boden für die chemische Zersetzung verantwortlich sind.
Um noch weiter auf die Rolle der Lebewesen und die Wichtigkeit eines Kontrollversuchs einzugehen, schlägt der Lehrer Folgendes vor. Man kann den Versuch, bei dem man ein Blatt Löschpapier zwischen der Gefäßwand und der Erde verrotten lässt (oder noch besser, den Boden des Gefäßes mit dem Papier auslegt) wiederholen. Diesmal nimmt man zwei Gefäße, in das eine füllt man Waldboden und in das andere Boden, den man im Ofen oder im Schnellkochtopf erhitzt hat, um alle darin enthaltenen Lebewesen abzutöten (Sterilisation), und der dann wieder befeuchtet wird. Das Ergebnis ist, dass sich nur das Papier in dem Gefäß mit dem nicht erhitzten Waldboden zersetzt, wodurch die Rolle der Lebewesen deutlich wird.
Der Lehrer macht nun den Vorschlag, Bodenzersetzer zu züchten: Um den Einfluss von Regenwürmern auf die Verwandlung von Pflanzen zu zeigen, kann man Regenwürmer züchten. Dazu nimmt man eine große, möglichst durchsichtige Wanne oder – noch besser – ein Aquarium. Man kann entweder feuchte, abgestorbene Blätter in das Aquarium legen oder aber die Wanne mit feuchter Wellpappe füllen. Die Regenwürmer kann man in einem Geschäft für Anglerbedarf kaufen. Sie verdauen die Pappe und produzieren eine ziemlich fette, schwarze Erde. Die Wellpappe (kein Zeitungspapier nehmen, das Tinte enthält) muss immer feucht sein. Man kann sogar durch die Scheiben des Aquariums beobachten, wie die "Verdauung" der Pappe durch die Würmer voranschreitet. Der Lehrer bemerkt zum Schluss, dass das Ganze absolut nicht unangenehm riecht, dass man die Würmer im Gegensatz zu anderen Tieren nicht füttern muss und dass er sich als Kind seine Regenwürmer fürs Angeln auf diese Weise "hergestellt hat"!
Der Lehrer fasst zusammen: "Wir haben eine Reihe von Versuchen durchgeführt, um durch die Veränderung von Parametern bestimmte Hypothesen zu überprüfen: Temperatur, Feuchtigkeit, Schatten, Mischverhältnis, Kompaktheit usw. Wir haben zahlreiche Waldexkursionen gemacht und allmählich gelernt, "Beobachtungsschnitte" anzulegen: ein sauberer Spatenstich, um zu sehen, was unter der sichtbaren Laubschicht war, ohne sie durcheinanderzubringen (das kostet viel Zeit und zahlreiche Fehlversuche durch ungeduldige und/oder ungeschickte Hände). Ich erinnere mich, dass die Überlagerung der verschiedenen Schichten schnell erkannt wurde, aber dass es lange dauerte, bis der Zusammenhang mit der "Geschichte" des Pflanzenbodens verstanden wurde (die Vorstellung, dass die Blätter in den Boden eindringen, hält sich sehr hartnäckig)."
- Die größte Schwierigkeit für die Kinder ist hier die Zeit: Die Zersetzung geht für die Kinder nie schnell genug.
- Die zweite Schwierigkeit, die sehr bald auftrat, war die Abneigung, den Boden zu berühren, obwohl Latexhandschuhe getragen wurden. Mit der Zeit verschwand dieses Gefühl. Man sollte diese Berührungsängste respektieren. Erklärungen allein reichen da nicht aus.
- Die dritte Schwierigkeit betraf die Versuchsdurchführung selbst. Dass man jeweils nur einen einzigen Parameter verändern darf (und natürlich jedes Mal warten muss, bis der Versuch zu Ende geführt ist), war für die Kinder schwer einzuhalten, gleichzeitig haben sie dadurch aber am meisten gelernt. Es mussten Kenntnisse über die Durchführung von Versuchen vermittelt und einige Versuchsdurchführungen vorgegeben werden, um Zeit zu sparen. Sonst wäre ein Schuljahr nicht ausreichend gewesen. Wir haben Speiseeisbehälter aus festem Kunststoff mit Bodenproben aus ein und demselben Wald gefüllt und die Behälter mit "sprechenden" Etiketten versehen: "Jeden Tag gießen", "Den Wasserstand auf Höhe des Strichs halten", "Draußen lassen", "Auf der Heizung lassen", "Nicht aus dem Kühlschrank nehmen", "Jeden Tag Blätter hinzufügen", "Alle sichtbaren Tierchen abtöten", "Ganze Blätter", "Klein gehackte Blätter" usw.
Zurück zu den Hypothesen der Kinder. Man kann die Kinder dazu bringen, ihre Überlegungen etwas zu vertiefen.
- Mit abgestorbenen Blättern werden in der Schule Collagen hergestellt, aber wie viele Blätter werden verwendet? Wie viele bleiben übrig?
- Die Gärtner verbrennen die Blätter, aber wer verbrennt sie im Wald?
- Die Blätter gelangen in den Rasenmäher, aber was kommt aus dem Rasenmäher wieder heraus? => Die Größe der sich zersetzenden Elemente ist entscheidend für die Geschwindigkeit der Zersetzung.
- Wegen der Feuchtigkeit und der Temperaturänderungen wird aus den Blättern wieder Erde: Welcher Parameter ist am wichtigsten?
- Warum sagt man "wegen"? Warum sagt man nicht "durch/dank"? Mit welchen Versuchen könnte man das überprüfen?
- Sie dringen in den Boden ein. Wie könnte man sie dabei beobachten, wie sie in den Boden eindringen?
- Sie zersetzen sich. Was bedeutet das?
- Sie verrotten. Was bedeutet das?
Der Lehrer muss darauf achten, dass er die Kinder nicht zu früh auf die Bodenzersetzer lenkt; die Kinder kennen einige von ihnen, wissen aber so gut wie nichts über ihre Rolle. Wenn die Existenz von Tieren entdeckt wird (sicher zufällig in einem Gefäß oder Vivarium in der Schule), wird eine neue Vorstellung auftauchen: "Diese Tiere können das nicht fressen, denn das schmeckt nicht gut." Nachdem man nun die anfänglichen Vorstellungen kennt, muss man die Fragestellung(en) entwickeln. Die Fragen des Lehrers können helfen. Aber die Kinder stellen sehr schnell von sich aus Fragen, weil sie neugierig werden angesichts der Widersprüche zwischen den Hypothesen, die durch die neuen Fragestellungen hervorgebracht werden.
Das Schwierigste für den Lehrer ist es, bestimmte Hypothesen und Formulierungen zu akzeptieren und die Abwechslung zwischen Teilnahmslosigkeit und Momente des Übersprudelns im Griff zu haben. Es ist auch schwierig, den Gedankengängen der Kinder zu folgen und zu erkennen, was sie gelernt haben, umso mehr, da dies bei jedem Kind anders ist. Durch die Auseinandersetzungen mit den möglichen/wahrscheinlichen Ergebnissen der Untersuchungen werden sich die Vorstellungen allmählich weiterentwickeln, und es werden neue entstehen, die sich den anerkannten Vorstellungen annähern.
Hier geht es nicht um das endgültige Wissen, selbst wenn dieses stets ein anzustrebendes Ziel bleibt: Es geht um die Vorgehensweise – die grundlegend ist bei La main à la pâte –, mit der die Kinder versuchen zu verstehen. Man wird sich auch mit unsichtbaren oder quasi unsichtbaren Lebewesen befassen, aber ganz langsam, um keine Vorstellungen aufkommen zu lassen, die zu weit von der Realität entfernt sind.
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023