Tierbiologie: Interaktion mit der Umwelt
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Publikation: | 1.7.2001 |
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Die Interaktionsfunktionen sind die verschiedenen Funktionen, mit denen ein Organismus Wechselbeziehungen zu seiner Umwelt eingehen kann. Dazu zählen im Wesentlichen die Sinnesfunktionen, die die Aufnahme externer Informationen erlauben, motorische Funktionen, mit denen sich ein Organismus fortbewegen und auf seine Umwelt einwirken kann (Muskelkontraktion und Bewegungen), sowie die entsprechenden Funktionen des Nervensystems (Analyse und Integration der Informationen, Steuerung der Muskeln, neuronale Kommunikation).
Das Nervensystem
Das Nervensystem ist ein vernetztes Kommunikationssystem, das nur bei Tieren existiert. Es setzt sich aus Nervenzellen, den Neuronen, zusammen. Neurone sind auf Kommunikation spezialisierte Zellen. Sie haben einen Zellkörper, der den Kern enthält, und – manchmal sehr lange – Fortsätze, die den Austausch elektrischer oder chemischer Informationen mit anderen Zellen ermöglichen. Einige Nervenzellfortsätze lagern sich aneinander und bilden die Nerven.
Nervenzellen (Lichtmikroskop, 600-fache Vergrößerung; Golgifärbung)
Neurone sind Zellen mit Fortsätzen
Das Nervensystem ermöglicht es, Informationen von außen sowie aus dem Inneren des Organismus aufzunehmen, zu übertragen, zu verarbeiten und die entsprechenden physiologischen und Verhaltensreaktionen auszulösen.
Bei den allereinfachsten Tieren wie Quallen und Süßwasserpolypen besteht
das Nervensystem aus einem einfachen, nicht zentralisierten Netz von
Nervenfasern, während es bei allen anderen Tieren zentralisiert ist.
Daher unterscheidet man das zentrale und das periphere Nervensystem.
Bei Ringelwürmern, Weichtieren und Gliederfüßern besteht das zentrale
Nervensystem aus einer Kette von Nervenknoten (Ganglien), die
strickleiterartig miteinander verbunden sind.
Detailansicht eines Ganglions des Blutegels
(Lichtmikroskop, 100-fache Vergrößerung)
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Präparation der Ganglienkette beim Kaiserhummer
Man beachte die durch Nervenfasern verbundenen Ganglien. |
Die Ganglien sind eine Ansammlung zahlreicher Zellkörper der Neurone. Die Kopfganglien enthalten mehr Neurone als die in anderen Körperteilen und sind daher im Allgemeinen größer. Sie erhalten ihre Informationen von den Sinnesrezeptoren am Kopf, zum Beispiel von den Augen und den Fühlern, und steuern die Bewegung. Das periphere Nervensystem setzt sich aus den Sinnesrezeptoren und den Nerven zusammen, die die verschiedenen Organe mit der Ganglienkette verbinden. Die Sinnesnerven übertragen die Informationen von den Sinnesorganen zu den Ganglien, während die Bewegungsnerven die von den Ganglien erzeugten motorischen Informationen zu den Muskeln übertragen.
Bei den Wirbeltieren besteht das zentrale Nervensystem aus dem Gehirn, der Gesamtheit der Nervenzentren im Schädel (Großhirn, Kleinhirn und Stammhirn), und aus dem Rückenmark, das sich im Innern der Wirbelsäule befindet. Das Großhirn verarbeitet permanent die riesige Informationsmenge, die von den Sinnesrezeptoren geliefert wird, und steuert die Grundfunktionen des Organismus und das Verhalten.
Das periphere Nervensystem besteht aus der Gesamtheit der Sinnesorgane und der Nerven, die das zentrale Nervensystem mit den verschiedenen Organen verbinden. Alle Organe sind über Nerven mit dem zentralen Nervensystem verbunden. Die Sinnesnerven übertragen die Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn, während die Bewegungsnerven die vom Gehirn erzeugten motorischen Informationen zu den Muskeln übertragen.
Die Sinnesorgane
Die Sinnesorgane ermöglichen es den Tieren, permanent verschiedene Arten
von Informationen aus ihrer Umwelt aufzunehmen. Diese Informationen
werden verwendet, um Nahrung oder einen Fortpflanzungpartner zu finden,
sich zu schützen oder einen günstigeren Lebensraum zu erobern. Sie
dienen auch zur Synchronisation der inneren Uhren der Tiere, die die
verschiedenen physiologischen und Verhaltensrhythmen steuern.
Es kann sich um elektromagnetische Strahlen handeln. Der Mensch nimmt
nur das für ihn sichtbare Licht wahr, aber verschiedene Tiergruppen sind
in der Lage, Strahlen, die für den Menschen unsichtbar sind, zu
detektieren. So können zahlreiche Insekten ultraviolettes Licht
wahrnehmen, während einige Schlangen ein spezialisiertes Organ besitzen,
mit dem sie in der Dunkelheit Infrarotstrahlen wahrnehmen können, die
kleine Säugetiere aussenden, von denen sie sich ernähren.
Kopf eines Hirschkäfers
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Fliegenkopf (Drosophila)
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Kopf einer Schnecke
Der Schneckenkopf ist mit zwei Fühlerpaaren ausgestattet. Die oberen
Fühler sind mit einem Auge und einem Riechorgan ausgestattet; die
unteren Fühler sind Tastorgane.
Die Antennen dienen der Ortung von chemischen Reizen und sind oft sehr leistungsstark. So können die Rezeptoren auf den Antennen des männlichen Seidenspinners (Bombyx), ein Schmetterling, dessen Raupe als Seidenraupe bekannt ist, ein einziges Molekül der vom Weibchen abgegebenen Substanz Bombykol detektieren und das Annäherungsverhalten auslösen. Auf diese Weise kann das Männchen selbst über große Entfernungen ein Weibchen finden.
Die Sinnesorgane, die die Wahrnehmung von Tönen, das heißt von Luftvibrationen, ermöglichen, sind bei den Tieren ebenfalls weit verbreitet und oftmals wesentlich leistungsfähiger als das menschliche Ohr. So nutzen die Fledermäuse Ultraschall, um sich im Dunkeln zu orientieren und ihre Beute zu orten, aber auf der anderen Seite detektieren viele Nachtschmetterlinge die von den Fledermäusen ausgesandten Ultraschalltöne und können sich dann ganz still verhalten, um nicht entdeckt zu werden. Auch die Delfine benutzen Ultraschall, um sich untereinander zu verständigen und Fischschwärme und Hindernisse zu orten.
Kopf einer Heuschrecke
Am Kopf einer Heuschrecke befinden sich mehrere Sinnesorgane:
Facettenaugen (Komplexaugen), Ocelli (Einzel- oder Punktaugen), Fühler
(Antennen), zum Mundwerkzeug gehörende Palpen (Taster) an den Maxillen.
Auf dem Bild sieht man das linke Auge, beide Fühler und den linken
Taster sowie ein Hörorgan an der ersten Bauchplatte.
Es gibt auch Rezeptoren für Magnetfelder, die vor allem von einigen wandernden Tieren verwendet werden, und Rezeptoren für elektrische Felder, die einigen Fischen zur Ortung ihrer Beute und zur Orientierung dienen.
Die meisten Tiere sind – wie der Mensch – mit einem Tastsinn ausgestattet und haben die Fähigkeit, die Schwerkraft und neben Luftvibrationen auch andere Arten mechanischer Vibrationen, beispielsweise die des Bodens, wahrzunehmen.
Die Fortbewegung
Die Fortbewegungs- oder Lokomotionsfunktion ermöglicht den Tieren sich
fortzubewegen. Die meisten Tiere sind mobil, so dass sie ihre Umwelt
erkunden können, um sich zu ernähren, um während der Fortpflanzungszeit
einen Partner zu finden oder um sich zu verstecken,; oder sie können in
einen anderen Lebensraum abwandern, wenn die Bedingungen im aktuellen zu
schlecht werden. Einige Tiere haben im Laufe der Evolution Möglichkeiten
entwickelt, um die Ortsveränderungen mit ihrem Fortpflanzungszyklus
(Aale, Lachse) oder den Jahreszeiten (Vogelzug) zu synchronisieren.
Die Bewegung ist jedoch bei den Tieren nicht universell verbreitet.
Einige Tiere leben fest auf einer Unterlage (Schwämme, Seeanemonen,
Korallen) oder bewegen sich nur sehr wenig (Muscheln, Austern,
Endoparasiten).
Die Auster ist an der Unterlage befestigt und ernährt sich, indem sie Meerwasser filtert.
Tiere, die kein starres Skelett besitzen, wie Würmer und Schnecken, haben ein hydrostatisches Skelett. Ihr ganzer Körper übernimmt durch den Flüssigkeitsdruck (Turgor) die Rolle des Skeletts. In diesem Fall erfolgt die Fortbewegung durch Kontraktionswellen der Muskeln, die am Körper entlang verlaufen (Längsmuskeln).
Nacktschnecken, Gehäuseschnecken und Regenwürmer haben ein hydrostatisches Skelett.
Man kann dieses Phänomen bei Schnecken gut beobachten, wenn man sie über eine Glasscheibe kriechen lässt. Dann kann man die Kontraktionswellen erkennen, die von hinten nach vorne verlaufend das Tier voranbringen.
Kontraktionswellen auf der Unterseite des Schneckenfußes
Der Mechanismus, mit dem sich Regenwürmer an der Bodenoberfläche bewegen, gleicht dem der Schnecken. Anders ist das hingegen, wenn sie sich in ihren Gängen fortbewegen, die den gleichen Durchmesser wie ihr Körper haben. Hier verdicken sie zunächst das Vorderende des Körpers, bevor sie ihre Längsmuskeln kontrahieren, und dann das Hinterende, bevor sie die Muskeln erschlaffen lassen. Bei Regenwürmern und Schnecken wird die Fortbewegung durch die Schleimsekretion an der Kontaktfläche zum Boden erleichtert.
Sepien, Tintenfische und Kalmare, Meerestiere, die ebenfalls mit einem starren qSkelett ausgestattet sind, können sich entweder mit Hilfe der Saugnäpfe an ihren Fangarmen kriechend am Meeresboden fortbewegen oder schwimmend mit Wellenbewegungen des Körpers oder auch durch Rückstoß, indem sie schnell Wasser durch den Trichter (Sipho) pressen.
Tiere, die ein starres Skelett haben – sei dies ein Außenskelett wie bei den Gliederfüßern (Krebstiere, Spinnen, Skorpione, Insekten) oder ein Innenskelett wie bei den Wirbeltieren –, haben Körperanhänge für die Fortbewegung (Beine, Flügel, Schwimmflossen), deren Bewegungen durch den entsprechenden Teil des Nervensystems koordiniert werden.
Gliederfüßer wie die Krebstiere und die Insekten haben ein starres Außenskelett mit Anhängen zur Fortbewegung.
Karpfenskelett |
Katzenskelett |
Wirbeltiere haben ein starres Innenskelett mit Anhängen zur Fortbewegung.
Bei diesen Tieren sind die Muskeln der Fortbewegungsanhänge an
Skelettsegmenten befestigt, auf beiden Seiten von beweglichen Gelenken.
Dadurch setzt ihre Kontraktion die entsprechenden Skelettsegmente in
Bewegung. Die Kombination dieser Grundbewegungen ermöglicht den Flug
(Insekten, Vögel, Fledermäuse), das Gehen und Laufen (Gliederfüßer,
Landwirbeltiere) und das Schwimmen (Wasserinsekten, Fische, marine
Säugetiere).
Der Bauplan der vierbeinigen Wirbeltiere (Amphibien, Reptilien, Vögel,
Säugetiere) ist ähnlich, auch wenn er verschiedene Fortbewegungsarten
ermöglicht, was ihren gemeinsamen Ursprung belegt. Schlangen stellen
einen Sonderfall dar, da sie ihre Extremitäten im Laufe der Evolution
verloren haben. Ihre Fortbewegung erfolgt durch Kriechen, d. h. durch
schnelle Körperoszillationen, bei denen das Tier sich auf seinen
Bauchschuppen abstützt.
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023