Unfälle mit Elektrizität
Autorin: | |
Publikation: | 1.11.1997 |
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Ist der menschliche Körper ein guter elektrischer Leiter?
Viel Salzwasser, umgeben von einer isolierenden Hülle: So könnte ein/e Physiker/in den menschlichen Körper beschreiben. Denn die Zellen sind von Flüssigkeiten umgeben (Lymphe, Plasma), die reich an gelösten Ionen (Natrium, Kalium) sind. Unser Körper ist ein mittelmäßiger elektrischer Leiter, vergleichbar mit einer wässrigen Salzlösung. Und die Hülle ist die Haut: Wenn sie trocken ist, leitet sie den Strom sehr schlecht. Aber sobald sie feucht wird, wird sie zu einem besseren Leiter: Die in der feuchten Haut gelösten Ionen bewegen sich leichter und durchdringen die Haut oder induzieren die Bewegung anderer elektrischer Ladungsträger in den Flüssigkeiten; diese Ionenbewegung ist der elektrische Strom. Wenn man eine elektrische Spannung an einen Körper legt, der in Kontakt mit Wasser ist, ist dieser ausreichend leitend, so dass der darin fließende Strom Schäden anrichten kann. Deshalb sollte man es vermeiden, in feuchter Umgebung (Badezimmer, Füße im Wasser usw.) elektrische Geräte zu berühren.
Elektrische Unfälle
Elektrische Unfälle verursachen jedes Jahr zahlreiche Todesfälle. Viele davon geschehen zu Hause (schlecht isolierte Geräte, keine Erdung, fehlerhafte Basteleien, Verwendung von elektrischen Geräten im Badezimmer). Andere geschehen im Freien bei Kontakt mit einer Erd- oder Oberleitung (Sturz auf eine Stromschiene, Angelleine kommt an eine Hochspannungsleitung) oder aber durch Blitzschlag. Während der dem Verbraucher zugängliche Gleichstrom gefahrlos ist (Batterie, Akkumulator, Telefonstrom, Kleinspannungstransformatoren für Halogenlampen), erweist sich der Wechselstrom im Haushalt als gefährlich.
Die Gefahr bei Unfällen mit Elektrizität hängt maßgeblich von der Stromstärke ab, die wiederum u. a. von der Größe der Spannung abhängt. Der Strom kann auf zwei Weisen in den menschlichen Körper eindringen:
- Das Opfer kommt gleichzeitig mit den beiden Anschlüssen (Neutralleiter und Außenleiter) in Berührung; es fließt ein starker Strom, der die zwischen den beiden Kontaktpunkten liegenden Organe schädigt.
- Häufiger berührt das Opfer versehentlich den elektrischen Außenleiter, während seine nackte und feuchte Haut in Kontakt mit der Erde steht, wodurch ein elektrischer Stromkreis hergestellt wird: Der Strom fließt durch die Teile des Körpers, die sich zwischen Außenleiter und Erde befinden.
Wenn Strom durch den Körper fließt, kann sich das auf unterschiedliche Arten auswirken:
- starke Muskelkrämpfe, die einen Herzstillstand hevorrufen und die Atembewegungen verhindern;
- Verbrennungen;
- Blutgerinnsel, die noch viele Stunden nach dem Unfall zu einem Schlaganfall oder anderen Schädigungen führen können
Die Dauer des Stromflusses im Körper wirkt sich auf die Zeit der Atemnot aus, aber auch auf das Risiko für das Herz und auf die Wärmeentwicklung und damit auf die Schwere der Verbrennungen.
Die Gefahrenschwelle ist bei Wechselstrom bei geringeren Stromstärken (etwa viermal geringer, siehe Gefahren der Elektrizität) erreicht als bei Gleichstrom. Die zurzeit in Europa erzeugte Frequenz von 50 Hz wird als besonders gefährlich angesehen, da sie sehr starke Muskelkrämpfe hervorruft. Oberhalb von 1000 Hz überwiegt der thermische Effekt.
Die elektrischen Verbrennungen gehen auch ins Körperinnere entlang des gesamten Strompfads, der den Wegen des geringsten elektrischen Widerstandes folgt (Blutgefäße und Nerven). In der Praxis ist das Verbrennungsrisiko umso größer, je höher die Spannung ist. Welchen Weg sich der Strom innerhalb des Körpers gebahnt hat, spielt eine wichtige Rolle, denn das Ausmaß der Schädigung hängt davon ab, welche Organe die Elektrizität durchquert hat.
Wie muss man sich bei einem elektrischen Unfall verhalten?
Wenn das Opfer noch mit einem Niederspannungsleiter in Berührung steht, muss – bevor man das Opfer berührt – so schnell wie möglich der Stromkreis geöffnet werden (der Strom "abgeschaltet" werden), indem man den Hauptschalter betätigt oder den Stecker zieht. Sonst fließt der Strom, der das Opfer durchfließt, auch durch den Körper des Helfers.
Ausnahmsweise kann man den elektrischen Draht mit Hilfe geeigneter isolierter Gegenstände entfernen (Kunststofflineal bei Haushaltsspannung, isolierende Stange oder Hocker bei Mittelspannung).
Bei Hochspannung und Höchstspannung müssen die Betriebsverantwortlichen (Elektrizitätswerk, Bahn usw.) benachrichtigt werden.
Anschließend führt man die folgenden Notmaßnahmen durch: Untersuchung der lebenswichtigen Körperfunktionen, Beobachtung der Pupillen, schnelle Suche nach Verbrennungsspuren und eventuellen zusätzlichen Verletzungen.
Wenn das Opfer eines elektrischen Unfall einen Herzstillstand hat, müssen sofort Wiederbelebungsversuche eingeleitet werden. Die Schädigung des Herzens ist an einem ursprünglich gesunden Herzen im Allgemeinen umso wahrscheinlicher, je mehr Zeit zwischen dem Kreislaufstillstand und der externen Herzmassage verstreicht. Wenn das Herz sich im Zustand des Kammerflimmerns befindet, kann nur ein zweiter elektrischer Stoß – mit Hilfe eines geeigneten medizinischen Gerätes, eines Defibrillators – eine normale Herztätigkeit wieder herstellen.
Bis zur Ankunft der Ärztin oder des Arztes legt man das Opfer in eine geeignete Ruheposition (stabile Seitenlage); man sollte daran denken, es zuzudecken und es zu beruhigen, falls es bei Bewusstsein ist. Außerdem sollte man alle Risiken für einen sekundären Unfall vermeiden (vor allem, wenn der Boden feucht ist), indem man Kabel und leitende Rohre kennzeichnet und verhindert, dass diese versehentlich wieder unter Spannung gesetzt werden.
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023