Der Regenbogen
Autorin: | |
Publikation: | 1.4.2002 |
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Lange Zeit hat das plötzliche Erscheinen eines Regenbogens die Fantasie der Menschen beschäftigt. In der jüdisch-christlichen Schöpfungsgeschichte stellt der Regenbogen das Zeichen für einen Bund zwischen Gott und Noah nach der Sintflut dar, "dass nicht mehr hinfort eine Sintflut komme, die alles Fleisch verderbe". Nach einer europäischen Überlieferung gab es am Ende des Regenbogens einen goldenen Kessel. In der afrikanischen Mythologie stellt der Regenbogen eine Riesenschlange dar, die dem Haus, das sie berührt, Unglück bringt. Für andere war der Regenbogen eine Brücke zum Paradies. Es blieb erst René Descartes 1637 vorbehalten, die Geheimnisse des Regenbogens vollständig zu lösen.
Abb. 1: Doppelregenbogen (Foto und © Jenny Schlüpmann)
Unten sieht man den primären Regenbogen, auch Hauptregenbogen oder innerer
Regenbogen genannt. Die Farben sind von oben nach unten: rot, orange, gelb,
grün, blau, indigo, violett.
Oben ist der sekundäre Regenbogen zu
sehen, auch Nebenregenbogen oder äußerer Regenbogen genannt. Die Reihenfolge
der Farben ist umgekehrt.
Was ist ein Regenbogen?
Der Regenbogen ist eine der wunderschönen Folgen der Zerlegung von weißem Licht (im Allgemeinen Sonnenlicht) in Strahlen verschiedener Farbe (bzw. Wellenlänge). Das Spektrum des weißen Lichts – dessen Hauptfarben die berühmten "sieben Farben des Regenbogens" sind, nämlich Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett – erscheint dabei auf "natürliche" Weise. Es sind die in der Atmosphäre schwebenden Wassertropfen, die wie lauter kleine Prismen das Licht zerlegen.
Abb. 2: Ein Regenbogen (Foto: Wing-Chi Poon, Wikipedia Commons, CC BY-SA 2.5)
Wie wird das weiße Licht zerlegt?
Wenn das Licht in einen Wassertropfen eindringt, wird es abgelenkt. Unter den Wegen, denen das Licht folgen kann, gibt es einen Weg, der die Ursache des Regenbogens ist: Das Licht wird gebrochen (das heißt, es wird beim Überqueren der Grenzfläche zwischen Luft und Wasser leicht abgelenkt), an der Rückseite des Wassertropfens reflektiert, und schließlich beim Austreten aus dem Tropfen erneut gebrochen. Dabei wird der Lichtstrahl um einen Winkel von etwa 41° gegenüber seiner Einfallsrichtung abgelenkt.
Aber warum wird das weiße Licht zerlegt? Wie gesagt: Beim Eintritt in den Tropfen und beim Austritt aus dem Tropfen wird das Licht jeweils gebrochen. Betrachten wir zum Beispiel den blauen und den roten Anteil des weißen Lichts. Das blaue Licht wird beim Eintritt in den Tropfen stärker gebrochen als das rote Licht. Nach Reflexion an der hinteren inneren Oberfläche des Tropfens wird es beim Austritt erneut stärker gebrochen als das rote Licht (siehe Abb. 3).
Durch diese Wellenlängenabhängigkeit der Brechung ist das weiße Licht nach dem Austritt aus dem Tropfen "aufgefächert". Dabei ist der Winkel zwischen dem einfallenden (weißen) Strahl und dem austretenden roten Strahl größer als der Winkel zwischen dem einfallenden (weißen) Strahl und dem austretenden blauen Strahl (siehe Abb. 3). Für das rote Licht beträgt der Winkel zwischen eintretendem und austretendem Strahl 42,0° und für das blaue Licht 40,6°.
Das ist die Ursache für die Entstehung des Hauptregenbogens. Der Nebenbogen ensteht durch eine weitere Reflexion im Tropfen, nach der der Winkel zwischen eintretendem und austretendem Strahl etwa 51° beträgt. Der Nebenbogen ist breiter als der Hauptbogen.
Abb. 3: Reflexion und Brechung an einem Wassertropfen
(Quelle: Pierre Fernandez)
Warum ist beim Regenbogen das Rot "oben"?
Versetzen wir uns an die Stelle des Beobachters. Damit er den Regenbogen sehen kann, muss das aus dem Tropfen austretende Licht in sein Auge gelangen. Er kann daher nicht alle Lichtstrahlen sehen, die aus einem bestimmten Tropfen austreten. Stattdessen kommt das blaue Licht, das er sieht, von einem anderen Tropfen als das rote Licht.
Abb. 4: Die in den Wassertropfen gebrochenen Lichtstrahlen erreichen
das Auge des Beobachters.
Es sind die Tropfen zwischen a und b, die den vom Auge beobachteten
Regenbogen bilden. Die farbigen Lichtstrahlen, die von Tropfen
oberhalb von a und von Tropfen unterhalb von b kommen, gelangen
nicht ins Auge.
(Quelle: Pierre Fernandez)
Abb. 5: Das Gleiche in größerem Maßstab
Und warum hat der Regenbogen die Form eines Bogens?
Die Tropfen, von denen aus rotes Licht zum Auge des Beobachters gelangt, bilden einen Kegel, an dessen Spitze sich das Auge befindet und dessen Achse die Blickrichtung ist. Der Öffnungswinkel des Kegels ist der Ablenkwinkel für Rot (42°), Entsprechendes ergibt sich für die anderen Farben. Der Beobachter sieht also eine Gruppe von Kreisen – oder vielmehr von Bögen, denn ein Teil dieser Kreise wird meistens von der Erde verdeckt. Einen ganzen Ring kann man nur von einem hohen Berg oder von einem Flugzeug aus sehen.
Abb. 6: Zur Entstehung des Regenbogens
(Quelle: Pierre Fernandez)
Man kann nicht unter einem Regenbogen hindurchgehen
Die Position eines Regenbogens ist vom Standort des Beobachters abhängig, zwei Personen können, streng genommen, nicht denselben Regenbogen sehen. Tatsächlich sieht jeder Beobachter den Regenbogen, der durch die Tropfen erzeugt wird, die sich auf seinem Beobachtungskegel befinden (und dessen Spitze sein Auge bildet). Dieser Kegel – und damit der Regenbogen, den der Beobachter sieht – bewegt sich also mit dem Beobachter. Er kann deshalb niemals den Regenbogen erreichen, und auch nicht unter ihm hindurchgehen.
Wann sieht man einen Regenbogen?
Anhand von Abb. 5 kann man erkennen, dass die Sonne, der Beobachter und der Mittelpunkt des Bogens auf einer Linie liegen. Der Mittelpunkt des Regenbogens erscheint daher umso höher zu sein, je niedriger die Sonne steht. Umgekehrt ist der Bogen umso niedriger, je höher die Sonne steht ... und er "verschwindet", sobald die Sonne mehr als 42° oberhalb des Horizonts steht. Deshalb sind in den mittleren Breiten Regenbögen nur morgens und abends zu sehen.
Das dunkle Band des Alexander
Zwischen dem inneren und dem äußeren Regenbogen erscheint der Himmel dunkler. Tatsächlich tritt zwischen dem Winkel von 41°, der den Hauptregenbogen kennzeichnet, und dem Winkel von 51°, der den Nebenregenbogen kennzeichnet, kein Lichtstrahl aus dem Tropfen; in diesem Bereich fehlt daher Licht. Man nennt dieses Band das "dunkle Band des Alexander", zu Ehren von Alexander von Aphrodisias, der es als Erster beschrieb.
Abb. 7: Das dunkle Band des Alexander
(Foto: Dariusz Biegacz,
Wikimedia Commons,
CC BY-SA 4.0)
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023