Zur Geschichte von La main à la pâte
Der Physiker und Nobelpreisträger von 1992, Georges Charpak, führt 1995 Wissenschaftler und Vertreter des französischen Erziehungsministeriums durch die Armenviertel von Chicago. Dort bewährt sich schon länger ein naturwissenschaftlicher Unterricht, der die Schüler zur Selbsttätigkeit anregt.
Eine neue Arbeitsgruppe der Schulbehörde beauftragt das Institut für pädagogische Forschung (INRP, Institut national pour la recherche pédagogique), einen Bericht über die naturwissenschaftlichen Unterrichtsmethoden in Nordamerika und die Anpassungsmöglichkeiten an das französische Bildungssystem zu verfassen, der im Dezember 1995 eingeht.
Im Schuljahr 1995/1996 sucht die Schulbehörde etwa 30 Schulen in drei Departements aus, die sich freiwillig beteiligen. Mit dem Rundschreiben vom 16. Juli 1996, erschienen im BOEN vom 5. September 1996, wird das Projekt La main à la pâte in Gang gesetzt.
Am 9. Juli 1996 beschließt die Académie des sciences einstimmig, das Programm zu unterstützen. Der Beschluss erweist sich als fruchtbar: Im Lauf der Jahre arbeiten zahlreiche Mitglieder der Akademie in unterschiedlichen Formen bei La main à la pâte mit.
Von Anfang an profitiert das Programm von der Partnerschaft der interministeriellen Kommission für Stadtentwicklung (DIV, Délégation interministérielle à la ville et au développement urbain), die das Projekt sowohl finanziell unterstützt als auch durch ein "Lesen-Schreiben"-Seminar mit dem Titel "Unsere Stadt kennen lernen", in dem die Naturwissenschaften das verbindende Thema sind. Des Weiteren stellt die Kommission der Schulbehörde "Zivildienstleistende" aus ihrem Kontingent zur Verfügung.
Im September 1996 macht das Ministerium mit Unterstützung der Académie des sciences einen ersten Anlauf in 5 Departements; 350 Klassen sind betroffen. Die École des mines in Nantes, die École polytechnique und die École nationale des sciences appliquées (ENSA) in Lyon begleiten die Lehrenden in den Departements Rhône, Yvelines und Loire-Atlantique. In Vaulx-en-Velin wird das Vorhaben mit Hilfe des Vereins ADEMIR in einer bedeutenden Anzahl von Schulen entwickelt. Dort werden amerikanische Unterlagen verwendet (die Insights).
La main à la pâte ist geboren, aber seine Geschichte fängt früher an. Sie beginnt mit der Geschichte vieler unterschiedlichster Versuche im naturwissenschaftlichen Unterricht, besonders in den letzten Jahren: eine pluralistische Geschichte, eine Geschichte von Geschichten.
1997 arbeitet ein Team der Académie des sciences und des Instituts für pädagogische Forschung (INRP) an der Entwicklung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Schule. Seit Mai 1998 gibt es eine Webseite. Den Lehrenden werden dort Informationen, Anregungen für Unterrichtseinheiten und Ressourcen für die naturwissenschaftliche Arbeit in der Schule zur Verfügung gestellt. Die Webseite wurde finanziell gefördert von der interministeriellen Kommission für Stadtentwicklung (DIV) und von der Technologieabteilung des Erziehungsministeriums. Sie fördert den Austausch unter Kollegen, den Dialog mit den Wissenschaftlern und den Ausbildern im Rahmen des Programms.
Die Webseite von La main à la pâte (zweite "Fassung")
Im September 1998 erarbeitet die Académie des sciences die zehn Grundsätze von La main à la pâte. Die ersten sechs beschreiben die pädagogische Vorgehensweise, die anderen vier erklären das Partnerschaftsmodell, insbesondere die Partnerschaft mit der Wissenschaftlergemeinde. Seit 1996 stellen drei Grandes Écoles (die École des mines in Nantes sowie die École polytechnique und die École nationale des sciences appliquées in Lyon) Studierende ab, um den Grundschullehrern beim Unterricht zu helfen. Auf diese Weise entsteht eine wissenschaftliche (keine pädagogische) Begleitung durch Wissenschaftler (Studierende der Grandes Écoles, Studierende der Naturwissenschaften an den Universitäten, Forscher, Ingenieure, Techniker, Hochschullehrer). Eine La main à la pâte-Satzung für den wissenschaftlichen Begleiter wurde erarbeitet. Im Mai 2004 fand in Paris ein Kolloquium zur wissenschaftlichen und technologischen Begleitung in der Grundschule statt, das von vier Grandes Écoles (École Normale Supérieure d'Arts et Métiers (ENSAM), École Normale Supérieure (ENS), École des Mines in Nantes (EMN) und École Supérieure de Physique et Chimie Industrielles (ESPCI) organisiert und von der Académie des sciences und der Académie des technologies und dem Ministerium für Erziehung, Forschung und Technologie (MENRT) vertreten durch die Leitung des Schulunterrichts (DESCO, Direction de l'éducation scolaire) unterstützt wurde. Ein landesweites Komitee zur naturwissenschaftlichen und technologischen Begleitung in der Grundschule wurde geschaffen. Eine Satzung definiert die Partnerschaften und dient den verschiedenen Partnern als Leitfaden.
Seit 1998 findet jedes Jahr eine Herbstuniversität ("Graines de sciences") statt, im Rahmen derer Wissenschaftler und Grundschullehrer eine Woche lang zusammen arbeiten und sich austauschen. Von 1998 bis 2004 fand die Herbstuniversität in der Fondation des Treilles statt, seit 2005 findet sie abwechselnd im Institut scientifique de Cargèse (im Süden Korsikas) und in der École de physique des Houches (bei Chamonix) statt.
Seit Mai 1997 werden jedes Jahr unter der Ägide der Académie des sciences die La main à la pâte-Preise vergeben. Sie belohnen Schulen, die sich durch ihren Unterricht in den experimentellen Wissenschaften ausgezeichnet haben. Nachdem die Académie des sciences "naturwissenschaftliche Korrespondenten" in den Universitätsinstituten für Lehrerbildung eingerichtet hat, wird im Juni 2001 auch ein La main à la pâte-Preis für Abschlussarbeiten des zweiten Jahres (PE2, Lehrerpraktikant) geschaffen.
Bei einem Kolloquium in der Bibliothèque nationale im Januar 1999 teilen 400 Kollegen miteinander ihre ersten Erfahrungen mit dem Programm.
1998 lanciert das INRP einen Aufruf zur Beteiligung und 21 Universitätsinstitute für Lehrerbildung antworten. Drei Jahre lang laufen Untersuchungen zum Versuchsheft, zu den "centres de ressources" (über ganz Frankreich verteilte Zentren, die Materialien und Hilfestellungen, manchmal auch ein Schülerlabor zur Verfügung stellen), zur Nutzung der Webseite und zur Erstellung von Materialien. 1999 wird ein La main à la pâte-Netzwerk aller dem naturwissenschaftlichen Unterricht gewidmeten Internetseiten der Departements geschaffen. Auf diese Weise können die jeweiligen Ressourcen und Erfahrungen ausgetauscht werden. Im Dezember 2001 erhielt dieses Netzwerk den ersten europäischen E-Learning-Preis des "European Schoolnet".
2001 entsteht auf Anregung der Académie des sciences ein Netzwerk von La main à la pâte-Pilotzentren (besonders aktive Zentren) zwecks Austausch von Kompetenzen und als Schaufenster. Das Netzwerk wurde mit Unterstützung der DIV und der Schulbehörde (DESCO) eingerichtet.
Im Juni 2000 kündigt das Erziehungsministerium einen Erneuerungsplan des naturwissenschaftlichen und technologischen Unterrichts an. Im November 2000 werden in einer Sommeruniversität in Montpellier "Feldarbeiter" für La main à la pâte, das Teil des Erneuerungsplans ist, ausgebildet. La main à la pâte behält seine Eigenart und dient gleichzeitig dem Plan, seine Errungenschaften werden übernommen und es wird innerhalb des Plans zum Innovationspol. Das Ministerium entwickelt neue Lehrpläne in enger Anlehnung an die Ziele von La main à la pâte, die mit Schulbeginn im September 2002 in Kraft treten. In einer Partnerschaft zwischen Ministerium/Schulbehörde und der Académie des sciences/La main à la pâte entstehen zwei Begleittexte zu den Lehrplänen: "Naturwissenschaftlicher Unterricht in der Schule" (Januar 2003) und "Entdecken der Welt im Vorschulalter" (Juni 2004).
2001 wird die Partnerschaft Académie des sciences/Institut für pädagogische Forschung (INRP) erweitert, neuer Partner ist die École Normale Supérieure (ENS, eine Grande École für Lehrerbildung).
2002 wird eine Arbeitsgruppe "Technologische Forschung und Bildung", die "La main à la pâte" zum Studienobjekt hat, in die Vierjahrespläne der École Normale Supérieure (ENS-Paris) und des Instituts für pädagogische Forschung (INRP) aufgenommen.
Im Juni 2004 wird im Palais de la découverte (Paris) eine Wanderausstellung eröffnet, die sich an die Universitätsinstitute für Lehrerbildung richtet: "Naturwissenschaften in der Schule: was für eine Geschichte!". Die Ausstellung wurde von der Académie des sciences vorgeschlagen und in Partnerschaft mit der Konferenz der Direktoren der universitären Lehrerbildungsinstitute (CDIUFM, Conférence de directeurs des Instituts universitaires de formation des maîtres), dem Institut für pädagogische Forschung (INRP) und seinem Bildungsmuseum, dem universitären Lehrerbildungsinstitut der Académie von Versailles, dem Palais de la découverte und dem SCÉRÉN (Dienstleistungen Kultur,Verlagswesen, Ressourcen für das Schulwesen), Pädagogisches Dokumentationszentrum (CNDP) erarbeitet. Sie begleitet die seit einigen Jahren sich entwickelnde Anstrengung zur Erneuerung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in Vor- und Grundschule und stellt diese in die über zweihundert Jahre alte Tradition des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der Grundschule in Frankreich.
2005 und 2009 wurden zur Stärkung der Partnerschaft in der naturwissenschaftlichen und technologischen Bildung ein Rahmenabkommen zwischen der Académie des sciences und dem Erziehungsministerium unterzeichnet.
La main à la pâte waren zahlreiche einzelne Fernseh- und Hörfunksendungen gewidmet. Zwischen September 2002 und August 2005 sendete France Info jeden Donnerstag eine Chronik "La main à la pâte". In den Chroniken berichteten Lehrer, Ausbilder und Wissenschaftler über naturwissenschaftliches Arbeiten mit Kindern.
Auf internationaler Ebene strebt eine wachsende Zahl von Ländern (Afghanistan, Belgien, Brasilien, Kambodscha, Chile, China, Kolumbien, Ägypten, Malaysia, Marokko, Serbien, Schweiz, Vietnam, ...) nach einer Zusammenarbeit mit La main à la pâte. 2009 waren mehr etwa dreißig Länder direkte Partner von La main à la pâte. Weiterhin gibt bzw. gab es in einigen Ländern auch Mirror Sites der französischen Internetplattform fondation-lamap.org, so zum Beispiel in Ägypten, Kolumbien, Serbien und Deutschland.
Letzte Aktualisierung: 29.10.2024