1.8: Wann fällt der erste Milchzahn aus?
Autoren: | |
Publikation: | 22.1.2018 |
Lernstufe: | 3 |
Übersicht: | Die Schüler entdecken den Unterschied zwischen (individuellen) Daten und Wissen (das auf der Untersuchung einer großen Anzahl von Daten beruht); und dass ein einziges Gegenbeispiel nicht ausreicht, um eine Erkenntnis zu widerlegen, die auf wissenschaftliche Weise gewonnen wurde. |
Angestrebte Kenntnisse: |
Wissenschaftlich denken, kritisch denken:
Wissen auf einer Vielzahl von Beobachtungen aufbauen. Kompetenzen: Mit Unterstützung der Lehrerin forschendes Lernen betreiben: Zur Beantwortung einer Frage einem Dokument (Tabelle, Text, Diagramm) aussagekräftige Informationen entnehmen. Eine Fragestellung mit Hilfe von Diagrammen, Schemas usw. darstellen. |
Schwerpunkt: | Sachunterricht, Mathematik, Deutsch, Weltanschauungs-/Lebenskundeunterricht |
Dauer: | 1 Stunde bis 1 Stunde 15 Minuten (je nach Alter und Niveau der Schüler) |
Material: |
Für jeden Schüler:
|
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Aktivität 1: Von den Daten zu den Kenntnissen
Ablauf: Die Schüler entdecken, wie Wissen aufgebaut wird. Dazu
greifen sie zum einen auf ihre eigene Erfahrung zurück (wann ist
mein erster Milchzahn ausgefallen?), und zum anderen auf einen Datensatz
mit dem jeweiligen Alter, in dem andere Kinder ihren ersten Milchzahn
verloren haben (Phase 1). Sie lernen, wie man Daten darstellen
kann (Histogramm, Mittelwert) (Phase 2).
Botschaft zum Mitnehmen:
Aus Angaben für jeden einzelnen (Daten) kann man allgemeinere Kenntnisse
konstruieren.
Vorbereitung: Vorab schneidet die Lehrerin die Etiketten aus dem Arbeitsblatt 27 (Etiketten – Alter beim Verlust des ersten Milchzahns) aus.
Pädagogische Anmerkungen
- Da die Schüler längst ihren ersten Milchzahn verloren haben werden, wird jedem Schüler ein willkürliches (aber plausibles) Alter zugeordnet, in dem er seinen ersten Milchzahn verloren hat (Etiketten des Arbeitsblattes 27). Die Daten (Altersangaben) sind zwar nicht die echten Daten der Klasse, aber durch diese Zuordnung sind die Schüler stärker in die Fragestellung involviert.
- Die Lehrerin verteilt natürlich nur so viele Etiketten wie Schüler in der Klasse sind. Sie entfernt zunächst "6 Jahre"-Etiketten aus der untersten Reihe. Wenn weniger Kinder in der Klasse sind, entfernt sie Etiketten aus der letzten Spalte. Die "6 Jahre"-Etiketten müssen immer in der Überzahl sein.
- Die Lehrerin kann auch die wahren Daten erheben. Dazu fragen die Schüler ihre Eltern, wann sie ihren ersten Milchzahn verloren haben. Falls das nicht für jedes Kind herauszubekommen ist, kann die Lehrerin die Schüler auch nach ihrer Körperlänge bei der Geburt fragen. Diese Angabe steht im Kinderuntersuchungsheft.
Abb. 1: Ein Kind mit ausgefallenem Schneidezahn
(Foto: David Shankbone, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)
Phase 1: Die Frage von Außerirdischen (ca. 15 min)
Zur Einführung erzählt die Lehrerin eine kurze Geschichte. "Ein paar Außerirdische interessieren sich für unsere Erde und wollen mehr über uns Menschen wissen." Die Lehrerin schreibt eine Frage, die die Außerirdischen haben, an die Tafel: "In welchem Alter fällt bei Menschenkindern der erste Milchzahn aus?" Die Klasse soll den Außerirdischen eine möglichst genaue Antwort geben. Diese wird dann an die Außerirdischen gefunkt.
Die Schüler diskutieren. Vielleicht erinnern sich manche noch daran, wann ihr erster Zahn ausgefallen ist. Aber da das bestimmt nicht für alle der Fall ist, verkündet die Lehrerin, dass sie mit den Altersangaben arbeiten werden, die bei anderen Kindern erhoben worden sind, also mit echten Daten. Jeder Schüler bekommt ein Etikett des Arbeitsblattes 27 (Etiketten – Alter beim Verlust des ersten Milchzahns). Jeder Schüler schaut sich sein Etikett an. Steht auf jedem das gleiche Alter? Nein. Jeder hat seinen "individuellen" Wert. Alle Werte zusammen nennt man Daten.
Die Lehrerin erwähnt noch einmal die Frage der Außerirdischen. Die Schüler haben festgestellt, dass das Alter beim Ausfall des ersten Milchzahns sehr unterschiedlich sein kann. Die Schülerantworten lauten entsprechend: "unterschiedlich" oder "das ist bei jedem Kind anders" oder "bei mir war es mit sechseinhalb". Diese Antworten sind zwar richtig, aber die Außerirdischen wollen genauere Antworten, außerdem nicht die Altersangabe für ein einzelnes Kind. Sie wollen eine ganz bestimmte Information – allgemeines Wissen, das für alle Menschen gültig ist.
Phase 2: Wie baut man aus Daten allgemeines Wissen auf? (ca. 45 min)
Jeder Schüler bekommt das Arbeitsblatt 28 (Tabelle – Alter beim Verlust des ersten Milchzahns), in dem die Daten der ganzen Klasse zusammengefasst sind. Die Daten sind mit Absicht nicht geordnet (die Lehrerin kann, wenn sie es möchte, eine Fassung der Tabelle erstellen, in der die Daten geordnet sind). Die in Gruppen aufgeteilten Schüler erhalten folgende Aufgabe: "Schreibt auf einem Stück Papier die Antwort für die Außerirdischen auf. Eure Antwort sollte so kurz wie möglich sein, aber trotzdem in ansprechender Form dargestellt sein."
5 Jahre | 6 ½ Jahre | 6 Jahre | 7 Jahre | 5 ½ Jahre |
6 Jahre | 6 ½ Jahre | 5 ½ Jahre | 6 Jahre | 6 Jahre |
6 Jahre | 7 ½ Jahre | 5 Jahre | 5 ½ Jahre | 6 ½ Jahre |
5 ½ Jahre | 6 Jahre | 6 Jahre | 6 Jahre | 6 Jahre |
6 ½ Jahre | 6 Jahre | 5 Jahre | 4 ½ Jahre | 6 ½ Jahre |
6 Jahre | 5 ½ Jahre | 6 Jahre | 6 ½ Jahre | 7 Jahre |
Tab. 1: Die Daten der gesamten Klasse
Zur Lösung der Aufgabe stellt die Lehrerin den Schülern Material zur Verfügung: kariertes Papier; Mühle oder Dame-Steine (oder Zuckerwürfel – die lassen sich gut stapeln); Schnur usw. Das Material bringt die Schüler vielleicht auf Ideen, die über das reine Abzählen der einzelnen Altersangaben hinausgeht. Letzteres ist natürlich trotzdem immer der erste Schritt. Die Lehrerin lässt die Schüler 15 bis 20 Minuten allein nach einer Lösung suchen.
Wenn die Schüler bis dahin nicht schon selbst auf eine Darstellungsform gekommen sind, schlägt die Lehrerin ihnen Möglichkeiten vor:
- Ältere Schüler, die so etwas schon einmal gemacht haben, können ein Histogramm zeichnen. Haben sie Mittelwertbildung schon durchgenommen, können sie den Mittelwert angeben.
- Jüngere Schüler werden einfach die Spielsteine (oder die Zuckerwürfel) aufeinanderstapeln. Das ist eine sehr anschauliche Darstellung der Daten. Man kann auch auf Papier kleine Aufkleber "stapeln". Das kommt einem Histogramm schon sehr nahe.
Die Schüler haben nun Zeit, ihre Antwort für die Außerirdischen zu vervollständigen bzw. zu verbessern.
Abb. 2: Die Daten als Histogramm darstellen
Es folgt eine gemeinsame Erörterung. Gleich welche Darstellungsform gewählt wurde, aus diesem Datensatz ergibt sich, dass der erste Zahn meistens im Alter von 6 Jahren ausfällt. Es gibt aber individuelle Unterschiede. In diesem Datensatz war das jüngste Kind 4 ½ Jahre alt, als es seinen ersten Milchzahn verlor, das älteste 7 ½ Jahre alt.
Die Lehrerin fragt: "Was wäre passiert, wenn die Außerirdischen ein einziges, zufällig ausgewähltes Kind gefragt hätten, anstatt uns zu bitten dieses Wissen zu konstruieren? Und wenn dieses Kind mit 4 ½ Jahren seinen ersten Milchzahn verloren hätte?" "Dann hätten sie ein falsches Bild bekommen, weil es nicht oft vorkommt, dass ein Kind schon mit 4 ½ Jahren seinen ersten Milchzahn verliert." Den Schülern wird bewusst, dass man aus einem einzigen Wert noch nicht so viel ablesen kann: "Man kann ein einziges Ergebnis nicht verallgemeinern."
Abb. 3: Schüler beim Debattieren
Zusammenfassung
Im Alltag ist man manchmal versucht zu verallgemeinern. Man sollte erkennen, wann dies nicht gerechtfertigt ist. Die Klasse findet vielleicht selbst Beispiele und diskutiert darüber. Wenn nicht, gibt die Lehrerin Beispiele: "Nur weil meine Katze schwarz ist, sind noch lange nicht alle Katzen schwarz!", "Meine Schwester ist dünn, obwohl sie immer Fast Food isst. Das heißt aber noch lange nicht, dass fett- und zuckerhaltiges Essen nicht dick macht!"; "Ich habe noch nie Keuchhusten gehabt; das heißt aber nicht, dass es Keuchhusten nicht gibt!" usw.
Mit den älteren Schülern kann man noch etwas weitergehen: "Dieser Sommer war recht kühl; außerdem gab es schon 1976 eine große Hitzewelle. Das heißt aber noch lange nicht, dass es den Klimawandel nicht gibt." Die Schüler können mit Hilfe des Arbeitsblattes 29 (Posting zum Klimawandel) über diese Thematik debattieren.
Zum Schluss verfasst jeder Schüler (oder die ganze Klasse gemeinsam) eine Schlussfolgerung.
Beispiel:
Wenn wir mit anderen Personen diskutieren, sind wir (oder die anderen) manchmal versucht zu verallgemeinern. Wir gehen von einem Beispiel aus, oder behaupten etwas Falsches, nur weil wir ein Gegenbeispiel haben. Jetzt wissen wir, wie man Wissen aufbaut, und erkennen solche Fallen.
Evaluation
Die Lehrerin verteilt den Evaluationsbogen 15 (Allgemeines Wissen oder einzelne Daten?). Die Schüler sollen die Beispiele ankreuzen, die "allgemeines Wissen" darstellen. Die anderen Beispiele sind lediglich "einzelne Daten".
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023