2.7: Die Drehkarte
Autoren: | |
Publikation: | 16.11.2017 |
Lernstufe: | 3 |
Übersicht: | Die Schüler machen sich über den Begriff des Modells Gedanken und stellen einen Zusammenhang zu unserer Argumentationsweise im Alltag her. Sie beobachten und beschreiben verschiedene Bewegungsarten (Drehbewegung, geradlinige Bewegung, Umwandlung einer geradlinigen Bewegung in eine Drehbewegung). Sie stellen sich den Aufbau und die Funktionsweise eines Gegenstands vor. Sie bauen ein Modell, um durch Ausprobieren den Mechanismus des Gegenstands zu verstehen. |
Angestrebte Kenntnisse: |
Wissenschaftlich denken, kritisch denken:
Modellieren, erklären, vorhersagen. Für Anfänger: Modellieren anhand eines vorhandenen Modells. Kompetenzen: Forschendes Lernen betreiben: Beobachten und hinterfragen können; rational begründen; fähig sein zu kooperieren; sich einsetzen; technologische Fähigkeiten weiterentwickeln; Problemlösung; Urteilsbildung |
Schwerpunkt: | Sachunterricht, Deutsch |
Dauer: |
Aktivität 1: 1 Stunde Aktivität 2: 1 Stunde 30 Minuten |
Material: |
|
Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Aktivität 1: Wie funktioniert diese rätselhafte Drehkarte?
Ablauf: Die Schüler erkunden eine rätselhafte Drehkarte und beschreiben sie (Phase 1). Sie machen Annahmen über das "Innenleben" und die Funktionsweise der Karte (Phase 2).
Botschaft zum Mitnehmen: Um einen Gegenstand gut zu beschreiben, muss man einen präzisen Wortschatz verwenden. Wenn man nicht in das Innere der Karte schauen kann, kann man Hypothesen aufstellen, wie dieses Innere wohl aussieht und wie es funktioniert.
Pädagogische Anmerkung
Die Drehkarten, die in dieser Unterrichtseinheit zum Einsatz kommen, können auch im Rahmen des Kunstunterrichts gebastelt werden (als Weihnachts- oder Muttertags-Karten zum Beispiel.
Vorbereitung: Vor dieser Unterrichtsstunde bastelt der Lehrer eine möglichst große Drehkarte nach dem Muster von Abb. 1. Wichtig ist, dass der Mechanismus der Karte von außen nicht sichtbar ist. Auf das Viereck "Figur" zeichnet er einen roten Kreis. Alternativ kann der Lehrer eine Drehkarte, die nach diesem Prinzip funktioniert, kaufen.
Abb. 1: Aufbau der Drehkarte
Abb. 2: Prinzip der Drehkarte. Links: Die Figur ist komplett in der Karte, man sieht sie nicht. Rechts: Die Figur ist maximal draußen, der sichtbare Teil kann bemalt werden.
Bemerkungen zur Herstellung der Drehkarte:
- Die Breite der "Figur" entspricht dem Durchmesser der Scheibe. Beide sollten etwas kleiner als ein Drittel der Länge des für die Karte verwendeten Tonkartons sein, so dass die Figur gut in die Karte gleitet.
- Wenn das Verbindungsstück (die "Pleuelstange") in der unteren Position ist (Abb 2, links), muss die Figur komplett in der Karte verschwinden. Wenn das Verbindungsstück in der oberen Position ist (Abb 2, rechts), muss die Figur komplett sichtbar sein. Die beiden Falzlinien im Tonkarton sorgen dafür, dass sich die Figur geradlinig von oben nach unten (und zurück) bewegt. Ohne diese Führung würde sie sich querstellen.
Der Lehrer stellt außerdem jedem Schüler bzw. jeder Schülergruppe (je nachdem, wie er den Unterricht durchführen möchte) Folgendes zur Verfügung: ein in Längsrichtung halbiertes Blatt Tonkarton, das er zwei Mal knickt – die eigentliche Karte; das Viereck für die Figur, dessen Breite genau einem Drittel der Länge der Karte entspricht; und eine Scheibe, deren Durchmesser gleich der Breite der Figur ist.
Alle Schüler(gruppen) sollten identische Karten, Figuren und Scheiben haben. Dadurch wird Zeit gewonnen und die Schüler können sich auf den Mechanismus der Karte konzentrieren. Das einzige Teil der Karte, das die Schüler nicht bekommen, ist das Verbindungsstück (die "Pleuelstange").
Phase 1: Die Drehkarte und ihre Funktionsweise beschreiben (ca. 30 min)
Der Lehrer zeigt den Schülern die Drehkarte (nennt sie allerdings nur die "Karte") und führt sie ihnen vor. Er bittet die Schüler die Karte zu beschreiben. Dies kann schriftlich oder mündlich erfolgen: "Sie hat eine rechteckige Form, sie ist weiß, sie ist aus Karton und/oder Papier gebastelt, eine Art Scheibe guckt unten hervor". Die Schüler beschreiben anschließend, was passiert, wenn man an der Scheibe dreht: "Wenn man an der Scheibe dreht, erscheint und verschwindet oben an der Karte eine viereckige Figur mit einem roten Punkt in der Mitte."
Abb. 3: Wie sich die Schüler den Mechanismus der Karte vorstellen
Pädagogische Anmerkung
Die Beschreibungen der Schüler können sehr vielfältig sein: reiner Text, Aufzählungen, Schemata. Der Lehrer kann die Texte verwenden, um die Verbindung zwischen Wissenschaft und Sprache aufzuzeigen. Diese Beschreibungen zeigen die vielfältigen Möglichkeiten, die wir haben, um uns schriftlich verständlich zu machen. Es wird aber auch deutlich, dass wir uns auf einen genauen Wortschatz einigen müssen, wenn wir uns gegenseitig verstehen wollen. Jetzt könnte der Moment sein, sich zum Beispiel auf die Wörter "Scheibe", "Figur" und "Drehkarte" zu einigen.
Abb. 4: Schüler an der Tafel
Phase 2: Hypothesen über die Funktionsweise der Drehkarte (ca. 30 min)
Die Klasse soll nun herausfinden, wie die Drehkarte funktioniert. Die in kleine Gruppen aufgeteilten Schüler überlegen: "Was passiert im Innern der Drehkarte? Von außen sieht man, dass eine Drehbewegung (der Scheibe) eine geradlinige Bewegung (Auf-und-ab-Bewegung) der Figur zur Folge hat." Die Schüler arbeiten zunächst selbstständig (der Lehrer führt, falls gewünscht, erneut den Mechanismus der Drehkarte vor). Es kann sein, dass die einzelnen Gruppen mehrere Hypothesen aufstellen.
Jede Gruppe bestimmt einen Sprecher, der die Ideen der Gruppe der Klasse vorstellt. Die Ideen können zum Beispiel auf Plakaten dargestellt werden. Während der gemeinsamen Erörterung wird jede einzelne Idee besprochen. Die eine oder andere wird vielleicht verworfen, dafür kommen neue Ideen zutage. Am Ende bleiben in der Regel mehrere Hypothesen bestehen, die es zu überprüfen gilt.
Der Lehrer erklärt, dass er die Drehkarte nicht öffnen wird, um den Mechanismus zu enthüllen. Vielmehr werden die Schüler ihre eigenen Drehkarten basteln müssen, um die übriggebliebenen Hypothesen zu testen.
Abb. 5: Plakate mit Hypothesen der Schüler
Pädagogische Anmerkung
Will der Lehrer einen differenzierten Unterricht machen, kann er für die Schüler mit Lernschwierigkeiten zum Beispiel ein Wörterverzeichnis zusammenstellen, mit Wörtern, die die Schüler zur Beschreibung der Drehkarte brauchen. Er kann die Schüler auch auffordern, die Drehkarte anzufassen, um auf diese Weise die Musterklammer im Innern zu ertasten.
Aktivität 2: Ein Modell der Drehkarte erstellen
Ablauf: Die Schüler basteln ein Modell einer Drehkarte (Phase 1) und versuchen den Mechanismus der Original-Drehkarte zu kopieren (Phase 2). Sie machen sich Gedanken über die Bedeutung eines "Modells" in der Wissenschaft und stellen eine Verbindung her zu der Art und Weise, wie wir im Alltag argumentieren (Phase 3).
Botschaft zum Mitnehmen: Einen Gegenstand lediglich zu beobachten, hilft nicht immer weiter, um dessen Funktionsweise zu verstehen. In solchen Fällen kann man ein Modell bauen. Dieses Modell kann man testen, verändern und erneut testen, bis es so funktioniert wie das Original (unsere Drehkarte).
Phase 1: Die Modelle basteln (ca. 30 min)
Der Lehrer verteilt das Material zum Basteln der Drehkarte: das zweifach gefaltete Blatt Papier/Tonkarton, die "Scheibe" und die "Figur". Anschließend stellt er der Klasse das Zusatzmaterial zur Verfügung. Die einzelnen Schülergruppen basteln ihr Modell nach ihren Anfangsvorstellungen und schauen, ob es so funktioniert wie die Drehkarte des Lehrers. Jede Schülergruppe versucht dann, ihr Modell zu verbessern. Falls die Zeit ausreicht, kann eine Gruppe auch zwei unterschiedliche Modelle basteln.
Abb. 6: Schüler beim Basteln des Drehkartenmodells
Phase 2: Die Modelle untereinander und mit dem Original vergleichen (ca. 30 min)
Nach 20 bis 30 Minuten unterbricht der Lehrer die Bastelaktion und organisiert eine allgemeine Diskussion. Es stellt sich heraus, dass die einzigen Modelle, die funktionieren, diejenigen sind, bei denen die Scheibe und die Figur mittels eines geraden, beweglichen Verbindungsstücks verbunden sind. Die Klasse diskutiert über die Schwierigkeiten, vor denen sie standen/stehen: "Wie kann man zwei Teile unterschiedlicher Dicke verbinden? Wie kann man verhindern, dass der Mittelpunkt der Scheibe sich verschiebt oder sich verkeilt? Was kann man machen, damit die Figur nicht komplett aus der Karte hervorguckt (abhängig von der Länge des Verbindungsstücks)?
Die Klasse kann gemeinsam nach Lösungen suchen. Anschließend haben die Gruppen wieder Zeit, ihr Modell zu verändern, bevor die Bastelaktion endgültig für beendet erklärt wird (ansonsten versuchen die Schüler eventuell immer weiter, ihr Modell zu verbessern, und werden nie fertig).
Zusammenfassung
Im Rahmen einer gemeinsamen Erörterung bittet der Lehrer die Schüler, die gebastelten Modelle mit der ursprünglichen Drehkarte zu vergleichen. Ist die Bewegung identisch? Haben sie es geschafft, genau die Lehrer-Drehkarte zu reproduzieren? Kann man noch etwas verbessern bzw. besser verstehen, ohne die Lehre-Drehkarte zu öffnen?
Die Klasse macht sich Gedanken über den Begriff "Modell". Der Lehrer betont, dass ein Modell ein Objekt ist, das sich so weit wie möglich wie das Originalobjekt verhält. In der Wissenschaft geschieht es häufig, dass man ein Phänomen nicht direkt beobachten kann und man deshalb Modelle konzipieren und erstellen muss. Das Konzipieren eines Modells erfordert ein hohes Maß an Vorstellungskraft und Kreativität – beides ist in der Wissenschaft unerlässlich.
Vielleicht haben die Schüler bereits mit Modellen zu tun gehabt, zum Beispiel beim Thema Vulkane (Modellierung der Ausbrüche bzw. Untersuchung der Viskosität von Flüssigkeiten) oder beim Thema Astronomie (Modell des Sonnensystems oder der Mondphasen).
Abb. 7: Modelle im Unterricht
Zum Schluss kann der Lehrer die Schüler noch fragen, ob es Parallelen zu ihrem Alltag gibt, Situationen, in denen sie ähnlich denken/argumentieren müssen:
- Wir denken so, wenn wir einen Gegenstand sehen und versuchen uns vorzustellen, wie er funktioniert.
- Wenn wir versuchen einen Papierflieger zu falten, der wirklich fliegt.
- Wenn wir etwas reparieren wollen und ein Teil fehlt. Man versucht, das Teil selbst nachzubauen, so dass das Teil dem Originalteil möglichst ähnlich ist und der Gegenstand wieder funktioniert.
- Wenn man einen Kuchen oder eine Speise probiert und versucht, sie zu Hause nachzubacken oder nachzukochen.
- Wenn man einen Filzstift auf einem Stück Schmierpapier ausprobiert, und wenn er nicht schmiert, benutzt man ihn auf dem guten Papier.
Pädagogische Anmerkung
Am Ende der Unterrichtseinheit kann der Lehrer seine Drehkarte öffnen und den Schülern den Mechanismus zeigen ... oder er lässt sie geschlossen und die Lösung bleibt geheim. In der Wissenschaft hat man meistens nicht die Möglichkeit nachzuschauen, wie es tatsächlich funktioniert. Man versucht lediglich so nah wie möglich an das beobachtete Phänomen heranzukommen. Die Karte nicht zu öffnen, ist für die Schüler frustrierend, aber sehr lehrreich im Hinblick auf die Realität der Wissenschaft.
Wissenschaftliche Anmerkung
Wissenschaftler arbeiten oft an Objekten, die sie nicht direkt beobachten können. Das gilt für die submikroskopischen Bestandteile der Materie genauso wie für sehr weit entfernte astronomische Objekte. Um diese Objekte zu untersuchen, denken sich die Wissenschaftler Modelle aus. Von ihren bekannten Eigenschaften ausgehend, denken sie sich Objekte aus, die ähnliche Merkmale haben. Das Modell muss sich so verhalten wie das untersuchte Objekt. Hat man ein solches Modell gefunden, kann man dieses Modell näher unter die Lupe nehmen: Tests durchführen; untersuchen, wie es auf bestimmte Aktionen reagiert, Vorhersagen zu seinem Verhalten überprüfen.
Das Objekt und das Modell sind nicht unbedingt identisch, auch wenn sie sich teilweise ähnlich verhalten. Ein gutes Modell zeichnet sich dadurch aus, dass man an ihm das Verhalten des Originalobjekts nachvollziehen kann. Heutzutage sind viele Modelle digitale Modelle, die man sich von allen Seiten anschauen kann. Man kann sie ganz einfach bewegen oder ihren Zustand verändern.
Mögliche Erweiterung
Mit älteren Schülern kann der Lehrer näher auf die Begriffe der Bewegungsübertragung und der Bewegungsänderung eingehen. Die Anordnung der Drehkarte ist die eines Pleuel-Kurbel-Systems: Die Scheibe ist die Kurbel, das Verbindungsstück die Pleuelstange und die Figur entspricht dem Kolben.
Die selbstgebastelten Karten können natürlich im Kunstunterricht verziert werden.
Evaluation
Der Lehrer kann für die Evaluation den Evaluationsbogen 19 (Modell oder kein Modell?) verwenden. Die Schüler sollen die Situationen erkennen, in denen mit Modellen gearbeitet wird.
Letzte Aktualisierung: 29.11.2023