Unterrichtsstunde 10: Die verborgene Seite der Biodiversität
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Publikation: | 17.9.2012 |
Lernstufe: | 3 |
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Ziele: |
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Angestrebte Kenntnisse: |
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Wortschatz: | Bodenfauna, Mikroorganismen |
Dauer: | Zwischen 1,5 und 2 Stunden |
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Für die Klasse:
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Herkunft: | La main à la pâte, Paris |
Vorbereitung der Unterrichtsstunde
Vor der Stunde nimmt der Lehrer einen Berlese-Trichter [1] in Betrieb, den die Schüler im Rahmen ihrer Erkundung der verborgenen Biodiversität des Bodens entdecken sollen.
Die experimentelle Anordnung ist einfach, sie setzt sich zusammen aus:
- einer Wärme spendenden Lampe (zum Beispiel einer Bürolampe);
- einem Trichter, der ein Stück von der Bodenprobe aufnehmen kann – einen einfachen Trichter erhält man zum Beispiel aus der oberen Hälfte einer Plastikflasche;
- einem grobmaschigem Filter (zum Beispiel ein kleines Stück Maschendraht);
- einem mit Ethanol gefüllten Behälter zum Auffangen der Mikroorganismen (zum Beispiel die untere Hälfte der durchschnittenen Plastikflasche).
Abb. 1: Aufbau eines Berlese-Trichters. A = Bürolampe, B = Trichter, C = feiner Maschendraht, D = Plastikflasche (Quelle: Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0)
Durch die Wärmestrahlung der Lampe trocknen die obersten Schichten der Bodenprobe aus. Die Tiere flüchten nach und nach in tiefere Schichten der Bodenprobe und fallen schließlich durch das Sieb in den Alkohol, der sie konserviert (fixiert).
Anmerkung
Beim Umgang mit 95%-igem Alkohol ist Vorsicht geboten. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Sicherheitsregeln eingehalten werden (nicht trinken, nicht in die Nähe einer Flamme bringen).
Eingangsfrage: Gibt es im Boden Lebewesen?
Der Lehrer stellt die Frage "Gibt es Lebewesen im Erdboden?" und stößt die Diskussion an. Wenn nötig, indem er die Schüler fragt, was sie am Erkundungsort beim Graben in der Erde gefunden hätten. Im Allgemeinen denken die Kinder bei dieser Frage in erster Linie an Regenwürmer, Ameisen, Pflanzenwurzeln, Maulwürfe usw. Der Lehrer fordert sie auf, in den gesammelten Bodenproben nach Lebewesen zu suchen, um die am Erkundungsort begonnene Inventur fortzusetzen. Die Kinder entdecken nun die "verborgene Seite" der Biodiversität: die, die man nicht sieht, wenn man sie nicht sucht.
Recherche: Inventur der Lebewesen im Boden
Lebewesen im Boden, die man mit bloßem Auge sieht
Die in kleinen Gruppen arbeitenden Schüler erhalten eine frische Bodenprobe, die sie auf einem Blatt Papier ausbreiten. Sie suchen inmitten der toten Materie nach Lebewesen und beschreiben und zeichnen die Tiere, die sie mit bloßem Auge erkennen können. Auch auf pflanzliche Spuren sollten sie achten, besonders auf möglicherweise ausgerissene Wurzeln.
Jede Gruppe erhält einen Erfassungsbogen für Tiere und ein Skizzen-Arbeitsblatt. Es sind die gleichen, die schon bei der Feldforschung verwendet wurden.
Die mit bloßem Auge zu erkennenden Tiere sind nicht sehr zahlreich und im Allgemeinen leicht zu identifizieren: Regenwürmer, Tausendfüßer, Ameisen, Ohrwürmer ("Ohrenkneifer") usw. Gegebenenfalls können zur Identifizierung der Funde das Internet oder Sachbücher über Bodenfauna herangezogen werden.
Nach Ablauf einer Viertelstunde fragt der Lehrer die Klasse: "Warum findet man im Boden so wenig größere Tiere?" Die Gruppen denken nach und jeder Schüler schreibt eine Antwort in sein Arbeitsheft. Die Antworten werden vorgetragen und diskutiert.
In den kleinen Hohlräumen des Bodens finden nur kleine Tiere Unterschlupf, nur sie können sich zwischen den Erdkrümeln bewegen. Die großen Tiere, die untertage leben – wie Maulwurf oder Regenwürmer – müssen zur Fortbewegung Gänge anlegen.
Die Zeichnungen der gefundenen Bodentiere werden in das Biodiversitätsbuch eingeklebt.
Sind alle Lebewesen im Boden mit bloßem Auge zu sehen?
Der Lehrer stößt mit dieser Frage eine allgemeine Diskussion an. Von den Schülern kommen Elemente einer Antwort. Oft heißt es, da gäbe es "mikroskopische" Lebewesen, womit meistens Tiere gemeint sind, die so klein sind, dass sie nicht von den kleinsten Erdkrümeln unterschieden werden können. Manchmal werden auch die "Mikroben" angesprochen.
Der Lehrer führt den Berlese-Trichter vor und fragt die Klasse: "Zu was mag dieser Aufbau dienen? Wozu dient jedes seiner Teile (die Lampe, der Trichter, das Sieb, der Behälter, die Flüssigkeit?"
Die Namen der einzelnen Teile der Apparatur werden an die Tafel geschrieben, samt den Äußerungen der Klasse zu ihrer Funktion. Im Lauf der Diskussion kommen die Kinder darauf, wie der Berlese-Trichter funktioniert und der Lehrer verrät schließlich auch, wie man die Anordnung nennt. Die Beschreibung der Funktionsweise wird gemeinsam formuliert und ins Arbeitsheft geschrieben. Zum Schluss wird im Arbeitsheft der Aufbau schematisch skizziert und mit einer Legende versehen, die noch einmal die Funktionsweise der einzelnen Teile zusammenfasst.
Beispiel
Im Berlese-Trichter wird eine Bodenprobe der Wärmestrahlung einer Lampe ausgesetzt. Die Tiere in der Probe fliehen vor der Wärme und der durch sie bedingten Austrocknung in immer tiefere Schichten im Trichter und fallen schließlich in die Flasche, wo der Alkohol sie tötet und konserviert.
Pädagogische Anmerkung
Man sollte den Kindern klar machen, dass das Entnehmen von Proben und das Töten auch der kleinsten Tiere nicht einfach hinzunehmen ist. Zwar geschieht das hier zu wissenschaftlichen und Lernzwecken, aber das enthebt uns nicht des ethischen Denkens und Handelns und bietet hier die Gelegenheit zur Diskussion über Achtung vor dem Leben in all seinen Formen.
Die Klasse setzt ihre Berlese-Apparatur in Betrieb. Da das Ergebnis erst viel später (nach einigen Stunden) zu sehen ist, hat der Lehrer vor der Stunde schon einmal eine Bodenprobe untersucht und zeigt den Schülern, was dabei herausgekommen ist. Das Ergebnis stellt einen repräsentativen Querschnitt der Mikrofauna des Bodens am Erkundungsort dar.
Nun stellt sich die nächste Frage: "Mit welchen Instrumenten lassen sich diese winzigen Tiere beobachten?" Die Antworten werden an der Tafel oder auf einem Plakat gesammelt und gemeinsam besprochen. Meist werden Lupe und Mikroskop (das die Kinder häufig mit dem Binokular verwechseln) vorgeschlagen.
Jede Arbeitsgruppe erhält einen Teil der im Berlese-Trichter aufgefangenen Organismen. Für die Untersuchung sollten Lupen und möglichst auch Binokulare zur Verfügung stehen. Die Kinder zeichnen einige der beobachteten Tiere und vervollständigen mit ihren Zeichnungen das Biodiversitätsbuch. Falls die Schule über ein oder mehrere Binokulare verfügt, können mit einer Digitalkamera Fotos gemacht werden, indem einfach das Kameraobjektiv auf eines der Okulare des Binokulars gesetzt wird.
Schon mit einer einfachen Lupe sieht man zahlreiche Tiere, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Der Lehrer fragt erneut, ob mit anderen Instrumenten nicht möglicherweise eine noch größere verborgene Biodiversität zu beobachten wäre. Die Kinder werden wiederum das Mikroskop erwähnen und der Lehrer kann erklären, dass eine Vielzahl von Mikroorganismen, vor allem Bakterien und Pilze nur mit dem Mikroskop beobachtet und bestimmt werden können. Und natürlich gehören auch sie zur "unsichtbaren" Biodiversität. Sie haben sogar eine wesentliche Funktion, weil sie tote Lebewesen zersetzen und dadurch den Boden mit Nährstoffen anreichern.
Gemeinsame Zusammenfassung
Jeder Schüler trägt ein paar Zeilen über das, was er entdeckt und aus der Unterrichtsstunde behalten hat, in sein Arbeitsheft ein. Gemeinsam wird die Zusammenfassung formuliert.
Beispiel für eine Zusammenfassung
Die Biodiversität besteht nicht nur aus dem, was man mit bloßem Auge sieht. Man muss sie manchmal regelrecht suchen. Zum Beispiel verbirgt sich ein Teil der Tiere und Pflanzen im Boden. Manche sind mit dem bloßen Auge zu sehen, andere sind sehr klein und erst mit entsprechenden Instrumenten (Lupen, Mikroskopen) zu erkennen.
Am Schluss der Unterrichtsstunde sei noch einmal bemerkt: "Man findet etwas nur dann, wenn man danach auch sucht". Viele Entdeckungen sind großen Forschungsanstrengungen zu verdanken. "Hätten wir nicht im Boden gegraben, wären uns diese Lebewesen verborgen geblieben".
Mögliche Erweiterung
Besonders interessant unter den kleinen Lebewesen sind die Bärtierchen, auch Wasserbären genannt. Diese putzigen, kaum einen Millimeter großen Achtbeiner leben in Meeren, Süßwassergewässern und im feuchten Moos an Land. Sie verdanken ihren Namen ihrer tapsig langsamen Fortbewegungsart (die an die Bewegung von Bären erinnert). Ihr lateinischer Name ist Tardigrada von tardus = langsam und gradus = Schritt. Internetseiten mit Informationen über und wunderschönen Bildern von Bärtierchen:
Fußnoten
1: Der Berlese-Trichter wurde 1905 von Antonio Berlese (1863–1927) erfunden. Berlese benutzte zur Erwärmung der Bodenprobe im Trichter einen Heizmantel. Albert Tullgren (1874–1958) veränderte 1918 die Apparatur, indem er den Heizmantel durch eine über dem Trichter angebracht Glühbirne ersetzte. Die experimentelle Anordnung wird daher auch als Berlese-Tullgren-Trichter bezeichnet.
Letzte Aktualisierung: 24.9.2024